LICHT ERLISCHT...

...And Below, The Retrograde Disciples (CD 2012)


Ungläubiges Staunen. Das ist zumindest bei mir die erste Reaktion, die Licht Erlischt... anno 2012 auslöst. Begeisterung auch, auf lange Sicht wohl vor allem Begeisterung; aber bei Erstkontakt eben in erster Linie ungläubiges Staunen. Das soll der gleiche Typ sein, der sich mit Horn auf unfreiwillige Komik spezialisiert hat? Sicher sicher, Licht Erlischt... war schon immer das wesentlich interessantere Projekt, aber ein so ergreifendes Meisterwerk wie "Retrograde Disciples" würde ich trotzdem als kleine Sensation bezeichnen wollen.
Doch der Reihe nach. Nerrath hat für sein BM-lastigeres Unternehmen heuer einen Stil gefunden, den man je nach Standpunkt als doomigen BM oder tiefschwarzen Doom bezeichnen kann. Ein Nortt-Cover hat seinen Weg auf die Scheibe gefunden, doch davon sollte man sich nicht irritieren lassen: mit der gepflegten, statischen Langeweile des Dänen hat Licht Erlischt... in meinen Ohren eher wenig zu tun. "...And Below, The Retrograde Disciples" setzt auf simple, eingängige Riffs, dezente Melodik, geschmackssichere Keys und wuchtiges Schlagzeug, das trotz aller Geschwindigkeitsbegrenzungen unglaublich treibend wirkt. Krönung des Ganzen ist das emotionale Semiklarsinggegröhle, das stark an A.A. Nemtheanga erinnert und die Scheibe zusammen mit ihrem Hang zur Epik zu dem Album macht, das Primordial nach "A Journey's End" hätten veröffentlichen können, wenn sie deutlich weniger kommerziell ausgerichtet wären. Dazu passt, dass bei "A People to Be Revised" mehr oder weniger offensichtlich "Dark Song" metallisch verwurstet und weitergesponnen wird. Doch es wäre völlig falsch, Nerrath als simplen Primordial-Fan abzustempeln. Denn auch wenn es sich übertrieben anhört: ein so mächtiges Album wie "Retrograde Disciples" haben Primordial noch nicht hinbekommen, und daran wird sich aller Voraussicht nach auch nichts ändern. Nein, Licht Erlischt... als schlichten Nacheiferer abzustempeln ist in etwa so sinnvoll wie die Behauptung, die wichtigsten norwegischen Bands der frühen Neunziger wären nichts als Bathory-Kopien.
"...And Below, The Retrograde Disciples" bietet hymnische Superhits, die zum Mitgröhlen ebenso taugen, wie sie Gänsehaut verursachen. Das Leitmotiv von "No Statures of Europe" etwa - zum Sterben schön. Und das ist wirklich nur ein Beispiel, denn auf diesem Album sind alle Schüsse Treffer (das bereits erwähnte Nortt-Cover vielleicht mal ausgenommen). Bleibt nur eine Frage: Kann Nerrath Horn ernst meinen, wenn er doch ohrenscheinlich weiß, wie man großartigste Musik macht?

9 /10

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Einheit Produktionen

 

Erik
10.02.2012