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Unverhofft kommt oft? Ach was, Sprichwörter und Redewendungen sind total überbewertet. Selbst verhofft kommt nur alle
Jubeljahre mal, von unverhofft ganz zu schweigen. Ich muss auch zugeben, mich mit "Noctural Misantropia" nur aus
einem gewissen Hang zur Vollständigkeit heraus beschäftigt zu haben, nicht etwa, weil ich sonderlich große Erwartungen
hatte. Xerión haben schließlich seit 2001 haufenweise Demos und Splits rausgebracht, und was ich davon im Vorbeigehen
gehört habe, war mitunter ziemlich schrecklich.
Deshalb bin ich mehr als nur ein bisschen überrascht, dass das erste komplette Album der Galicier seit Wochen bei mir
rauf und runter läuft. Stilistisch muss man die Truppe wohl dem nordischen BM zuordnen, allerdings liegt die Betonung
nicht so sehr auf grimmiger Kälte. Vielmehr empfinde ich das in der Hauptsache recht flotte Material als episch und
mitunter erhebend-erhaben, nicht zuletzt da einige Melodien einen gewissen "folkigen" Charakter haben. Der Gesang
sticht nicht sonderlich hervor, sondern ist Teil der Soundwand, was ich in diesem Fall ziemlich passend finde - doch
habe ich mir sagen lassen, dass dies nicht jedermann gefällt. Auf nicht ungeteilte Gegenliebe dürfte auch die sehr
basslastige Produktion stoßen, die man vorschnell als verwaschen abtun könnte. Doch spätestens unter Kopfhörern
stellt sich heraus, dass die Aufnahme auch kleine Details zur Geltung bringt. Nur hat die Band eben einen mörderischen
Bass aufgefahren - was nicht alltäglich ist, mir aber außerordentlich gut gefällt. Ähnliche viersaitige Urgewalt
entfesselt beispielsweise das Zweitwerk von Skyforger. Das ist stilistisch natürlich eine etwas andere Baustelle,
doch hier wie dort sorgt das Langholz für mächtigen Bumms.
Selbstverständlich bin ich nicht nur wegen des Basses so von "Nocturnal Misantropia" angetan, auch wenn dieses
Stilelement natürlich für jede Menge Charakter sorgt und Xerión aus der Masse herausragen lässt. Nein, was mich an
diesem Album seit Wochen begeistert, sind zum Ersten die großartigen Melodien, die mal vom (generell sehr dezent
eingesetzten) Keyboard beigesteuert werden, mal von der (Lead)Gitarre. Darüber hinaus hat es mir vor allem das
unglaublich effektive Schlagzeug angetan, denn ein so ausgeprägtes Taktgefühl ist eher selten. Der gute Mann mit den
Stöcken hat immer den passenden Beat parat, und die perfekt plazierten, geradezu explosiven Rhythmuswechsel
unterstützen den schon von der Produktion hervorgerufenen Eindruck von Energie und Durchschlagskraft.
Es ist sehr gut möglich, dass meine Begeisterung für "Nocturnal Misantropia" nicht allgemein geteilt wird; einige
Gründe dafür habe ich ja bereits genannt. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Album für mich persönlich eines
der besten und vor allem langlebigsten dieses Jahres ist. Da ist es letztendlich völlig egal, was der Rest der Welt
von der Scheibe hält. |
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