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Was haben sie sich entwickelt! Vor anderthalb Jahren steckten Geïst (damals noch als Eismalsott) bei einem
unfähigen Label fest, das zu dumm war, ihre EP unters Volk zu bringen. Im letzten Jahr dann das Albumdebüt
namens "Patina", mit dem man eine deutliche Duftmarke setzen konnte. Und dieser Tage der zweite Streich, der -.
Nun, was Geïst anno 2006 erreichen werden, kann ich natürlich nicht voraussagen, das hängt schließlich nicht nur
von Band und Album ab. Zumindest aber können wir untersuchen, aus welchem Holz ihre neue Scheibe geschnitzt
ist.
"Kainsmal" ist - um ein kleines Fazit vorwegzunehmen - der nicht weniger kreative, dafür aber viel reifere große
Bruder von "Patina". Diesmal gibt es keine Klangcollagen der Marke "Thanatos Phobein" oder metallische Fremdgeher
wie "Jingizu". Nein, Geïst haben ein Album aufgenommen, das zugunsten von noch mehr musikalischer Klasse auf
oberflächliche Vielfalt verzichtet. So kommen auf einer wunderbar dynamischen Scheibe die Stärken der Band besser
zur Geltung; eine singende Leadgitarre, die ein ums andere Mal großartige Melodien mit einem Hang zur Melancholie
hervorzaubert, sowie der vielfältige und ausdrucksstarke Gesang. Durch seine Kompaktheit wirkt "Kainsmal" recht
eingängig, kurzlebig ist das Album deswegen aber noch lange nicht. Dafür sorgen kleine Details wie Keyboards oder
akustische Gitarren. Das mag sich jetzt nicht sonderlich aufregend anhören, und auffällig sind diese Elemente auch
gar nicht; aber sie sorgen dafür, dass am Ende ein noch großartigeres Lied steht, das man immer wieder hören will.
"Immer wieder hören" ist dabei ein gutes Stichwort, denn bei lediglich 37 Minuten Spielzeit gilt das auch für das
Album insgesamt. Doch scheint dies bei näherer Betrachtung Teil des Konzepts zu sein: "Kainsmal" wirkt so, als
hätten Geïst einen großen Haufen Ideen immer wieder destilliert, alles eliminiert, das auch nur im Entferntesten
nach Füllmaterial klang, bis am Ende - man verzeihe mir das platte Wortspiel - nur der reine Geist übrig war.
Dieser Geist ist übrigens auch lyrisch äußerst wertvoll. Da gibt es geschickte Verknüpfungen von Text und Musik,
Goethes "Faust" hat (natürlich!) einen Gastauftritt, Nietzsche gibt mehr als nur den ewigen Antichristen und auf
einige Textpassagen scheint die Hoffnungslosigkeit eines Andreas Gryphius abgefärbt zu haben. Dies rundet ein Werk
ab, nach dessen Genuss mir lediglich zu sagen bleibt, dass wohl auch "Skogtaken" kaum besser werden kann bzw.
könnte. |
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