(V.E.G.A.)

Cocaine (CD 2006)


Lilja ist tot. Im Jahr 2002 werden zwei Kunstwerke produziert: Einerseits der mit unverblümter Dramaturgie erzählende Film eines der Zwangsprostitution zum Opfer gefallenen russischen Mädchens namens Lilja, andererseits das erste offizielle Album der italienischen Band (V.E.G.A.). Beide Artefakte weisen frappante Ähnlichkeiten auf: Die das Album-Cover zierende, rennende Gestalt könnte die sich am Ende des Films von einer Brücke stürzende Lilja aus dem Film Moodyssons darstellen, welche vor der Geistesgestörtheit der Menschen in den Tod flüchtet. Lilja heißt auch das erste Lied von "Cocaine", welches den Hörer dieser im Jahre 2006 wiederveröffentlichten Scheibe auf die nächste Stunde passend einzustimmen vermag: Mit kindlichen Verzweiflungsschreien.
Was Janos (Schlagzeug, Gesang), Ravèz (Gitarre, Gesang, Synthesizer) und Kekoz (Bass) mit diesem Werk zu Stande gebracht haben, lässt sich als Vertonung der menschlichen Perversionen titulieren: Hochgeschwindigkeits-Drumming, abartig gutturales Gekeife und betörend schöne Gitarrenmelodien verästeln sich zu einer unheilvollen Mixtur, welche den Rezipienten niederwalzt und die Psychosen seiner Gattung musikalisch treffend zu illustrieren versteht. Ex aequo untermauern die lyrischen Kreationen von Janos und Ravèz richtungsweisend die Intention des Albums, nämlich die Vermittlung von absoluter Hoffnungslosigkeit, wie sie Lilja im Spielfilm erleben musste.
Aber die Italiener kennen sich nicht nur in schnellen Schwarzmetallgefilden aus, sondern verstehen es auch mit Tempo- und Richtungswechseln für die nötige Abwechslung zu sorgen. Nicht vergessen zu erwähnen sind dabei auch die zwischenzeitlichen synthetischen Versatzstücke, welche gleich der Gitarrenmusik auf dieser Scheibe die klaustrophobische Stimmung aufrechterhalten können. So sei beispielsweise das das Akronym der Band erläuternde Schlusslied "(Vacuum Era Gelid Atmosphere)" erwähnt, das sich durch bedrückend sinister in Szene gesetzte Industrial-Collagen auszeichnet, aus welchen die Band ausschließlich ihre Kreationen in Zukunft zu formen beabsichtigt. Oder das als "Hidden Track" getarnte Schlussstück "Cocaine", das beide Komponenten, die dieses Album auszeichnen, zu vereinigen weiß: Auf der einen Seite die bereits angesprochenen, dem Konzept folgenden düsteren Ambient-Passagen, auf der anderen Seite ergänzt durch Musik schwarzmetallischer Deszendenz.
Cocaine ist ein eigenwilliges Album und daher ist auch seine (Wieder-)Veröffentlichung gerechtfertigt: Im Untergrund der zeitgenössischen Schwarzmetallkultur existiert bis dahin seinesgleichen nur in dieser Form, welche durch ihren unmenschlich aggressiven, pervers-anmutenden Duktus den gegen Innovationen weitgehend immunen Hörer des einundzwanzigsten Jahrhunderts auf eindrückliche Art und Weise in positivem Sinne zu verblüffen mag. "Stars can't shine here...", mit diesen programmatischen Worten endet "Cocaine". Sie scheinen wie ein Epitaphium für die tote Lilja...

8 /10

Official Website

Debemur Morti Productions

 

Christenjaeger
28.05.2006


Redaktionsbewertung:
azaghal 7.5 Laeknishendr 8
Christenjaeger 8
Gesamtdurchschnitt: 7.8