THE LEGION

Revocation (CD 2006)


Streichelweich war die schwedische Legion noch nie; und so wie es momentan aussieht, hält sie auch weiterhin an dieser Tatsache fest. Wenn die Menge nach dem Prinzip des Quartetts tanzt, werden ekstatisch gesteppte Schritte von unzähligen hektischen Pausen oder wilden, kaum durchschaubaren Mosh-Einlagen unterbrochen. Dass diese hochtechnische Melange viele abschreckt, mag nur allzu verständlich sein. Doch diejenigen, denen derartig krasse Eckdaten erst recht den Tag versüßen, kommen hier voll auf ihre Kosten.
Nach wie vor liefern sich die Sechssaiter abartig mathematische Schlachten, deren Detail-Vielfalt und fehlerloses Spiel dem armen Kopf-Hörer eben jenen am Boden zerschellen lässt, selbst wenn man solche bunten Speisen alltäglich einnimmt. Da zersetzt man ein Riff, baut es im Lego-Stil unglaublich oft um und schmeißt alle erdachten Varianten nacheinander in den Liedkanal. Oder - sofern dem zuständigen Komponisten ein kreavtiver Schub widerfuhr - man steckt ein paar passable Einfälle dermaßen eng zusammen, dass einem binnen zehn Sekunden vier bis fünf verschiedene Melodien entgegengeschmettert werden. Konkrete Beispiele für beide Extremfälle finden sich in allen neun Sätzen. Wenn dem Viergestirn die Luft auszugehen droht, packt man Mid-Tempo-Abschnitte aus, die zwar lascher abgespult werden, dafür umso eher im Ohr festsitzen - logisch, denn wer kann sich schon das stellenweise recht arge Griffbrett-Rumgewichse merken, das auf "Revocation" keine geschätzte Seltenheit ist? Des weiteren kommen, um der Atmosphäre den nötigen Tribut zu zollen, ordentlich gespielte Synthesizer-Geschichten ins Spiel, die es natürlich nicht wagen, das Zepter in die Hand zu nehmen und sich selbst die Dominanz-Krone aufzusetzen. Aber auch von Samples, die vom erschöpftem Keuchen bis hin zu immer lauter werdendem Orchester-Terror die gesamte morbide Bandbreite abklappern, macht der Vierer im gezügelten Maße Gebrauch. So darf der Siebenminütler "Bloodgate" nicht nur beide erwähnten Goodies, sondern zusätzlich noch ein richtig nettes Hauptthema zu seinen musikalischen Waffen zählen. Geputzt und einigermaßen nachvollziehbar hergerichtet haben wir es also mit einem ausgezeichneten Stück zu tun, das mir noch ein paar Male durch den Gehörgang rasen wird.
Selbiges gilt für die gesamte Platte. Anfangs muss man angesichts der hiesigen Vielfalt den Körper zur Wand richten und sich von den vielen kleinen Kugeln durchbohren lassen, bis einem schließlich das Licht aufgeht und der Spaß an dem zweiten Album des Schwedenbombers keine Grenzen kennt. Die Scheibe offenbart nur demjenigen ihre wahre Schönheit, der sich auch lange genug mit ihr auseinander setzt - heutzutage aufgrund des übersättigten Spaß-Marktes leider eine rare Erscheinung.

8 /10

Official Website

Listenable Records

 

Amicus
13.04.2006