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Die Personifizierung des Bösen ist integraler Teil der Bewusstseinsbildung in der Evolution eines Menschen. In der
Domäne härterer Musik stehen dabei meist Götter und deren Antigötter der antiken Mythologien Modell, um die
destruktiven Kräfte des Menschen angemessen zu verkörpern. Wenn dann eine Schwarzmetallkapelle wie Enochian Crescent
das Prinzip der Zerstörung anhand des hinduistischen Gottes Shiva zu erläutern versucht, dann macht das doch
ziemlich stutzig, ist es in schwarzmetallischen Gefilden doch eher ungewöhnlich, seine Kompositionen mit
lebensbejahenden Ansichten wie der fernöstlichen Philosophie des Hinduismus auszugestalten. Enochian Crescent haben
sich aber diese Dreistigkeit erlaubt und singen auf ihrer neuesten Veröffentlichung "Black Church" von falschen
Götzenbildern und deren schlechtem Einfluss auf den Menschen.
Passend zum textlichen Konzept fügt sich das musikalische in jenes stringent ein: Progressive Gitarrenlinien,
hintergründige, ja beinahe frohlockende Klampfenmelodien und ein präzises, grundsolides Schlagzeugspiel, welches
alle Geschwindigkeitslagen mit Leichtigkeit zu beherrschen scheint, bilden die einzelnen Komponenten. Ganz ehrlich
gesagt hatte ich anfangs so meine Mühe mit diesem Tondokument: Die teilweise eher an die Marke Nu-Metal erinnernden
Vocals sind doch sehr ungewöhnlich für Schwarzmetallverhältnisse, ebenso der ständige Wechsel zwischen Gekreische,
Gekeife, klarem Gesang und teilweise hintergründigen Chorälen. Hinzu kommt die relativ klare Produktion, welche die
Dynamik der Musikkreationen von Enochian Crescent passend hervorzuheben versteht. Alles in allem wirkt das ganze
Album doch sehr stilsicher, was letzten Endes vor allem auf die Idee von "Black Church" zurückzuführen ist, nämlich
ein Psalmbuch zu schaffen, welches Verse über den Kult von subversiven Göttern beinhaltet, um diese wiederum
musikalisch zu untermalen.
Was für ein Prädikat hat also ein Schwarzmetallalbum verdient, das den Stilbruch wagt, seine Stücke von einer
gezielt kraftvollen Produktion aufleben zu lassen, das von Elementen wie Gesangsduellen sowie extrem progressiv
aufspielenden Gitarrenlinien lebt und zeitweise mit einer epischen Leadgitarre auftrumpft? Ganz klar das Prädikat
"Geschmackssache". Denn das Dargebotene wurde einerseits mit der nötigen musikalischen Raffinesse verarbeitet und
in Szene gesetzt, andererseits aber werden sich Schwarzmetallpuristen resolut von diesen experimentellen Stücken
abzugrenzen wissen. "Geschmackssache" auch darum, weil die einzelnen Stücke auf das zu Beginn erläuterte Konzept
aufbauen und somit eher eine feierliche Atmosphäre versprühen, wie es bei einer sakralen Zusammenkunft gang und
gäbe ist. Es bleibt mir folglich nichts anderes übrig, als auch meine Rezension mit einem hinduistischen Mantra zu
beenden: "Om, Ehre sei dem erleuchteten Shiva." Und damit Punktum! |
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