NAER MATARON

River At Dash Scalding (CD 2003)


Zeit ist des schnelllebigen, detailarmen Albums Tod. Erst dieser Faktor entscheidet über weitere Ehrenrunden oder den sofortigen Rausschmiss aus der mattschwarzen Hochburg des Hauses. Ein Tonträger kann noch so spannend oder kurzweilig bespielt werden: Wenn das Material nicht in der Lage ist, Widerhaken zu schlagen, fiebert man eher dem Ende entgegen als dass das mühselige Martyrium erneut Laut gibt. Auch Naer Mataron haben manchmal motivationslose Phasen gehabt, in denen ausschließlich lasche, furchtbarst öde Lückenfüller aus dem ungeübten Handgelenk geschüttelt wurden. Doch dann schmetterte der ruhmhafte Zweitling "Skotos Aenaon" über so manch rumpelige Anlage, dessen überraschend zwangfreies Songwriting vereinzelte Kinnladen dazu bewegte, hart auf dem Boden (der keifend-wütenden Tatsachen) zu landen. Gut 24 Monate später drang der vorliegende Longplayer in die Ohren einer noch überschaubaren Menge an Anhängern und begeisterte abermals aufgrund des frischen, spielfreudigen und hervorstechend guten Liedgerüstes, das das Quartett allerdings bis dato nicht mehr zu toppen wusste, da "Discipline Manifesto" sich zwar imposant vorstellte, aber danach genauso schnell wieder durch neue Kracheralben von anderen Gruppen ersetzt wurde.
Somit fällt der Blick zurück auf den momentanen Band-Spitzenreiter, dessen optische Reize (Frontcover) leider nie die verführerischsten waren. Ein relativ unspektakuläres Synthetik-Intro mit Marschtrommeln setzt das erste Zeichen, gefolgt vom stürmischen Opener "The Continuity Of Land And Blood", dessen ungestümes Zupacken auch heute noch dem vielerseits überbewerteten Sumpf des Mittelmaßes den hellenischen Stinkefinger entgegenstreckt. Doch stellt jenes Stück erst eines von insgesamt neun wochenfüllenden Hymnen inklusive sehr netter Huldigung an die norwegische Legende Ved Buens Ende dar. Denn mit Eintreffen von "The Great Meridian Tide" stößt das melancholische Element hinzu, welches überwiegend durch dunkel gefärbte Übergänge oder zusätzliche, hochtönende Gitarrenspuren besticht. Rechnet man nun erfrischend abwechslungsreiches Songwriting, kräftige Heiserkeit und rastlos-punktgenau gespielte Felldrescherei hinzu, ergibt dies in ungefähr alle Eigenkompositionen.
Doch da diese Beschreibung auch auf andere, weitaus langweiligere Kapellen zutrifft, bedarf es einer genauen Absteckung von Naer Matarons Spielfeld, als selbst ausgesuchte Blaupause darf daher der längste Schinken "Salvatores Dei" herhalten. Getragen bediente Streicher, ähnlich denen vom aktuellen Urfaust-Geniestreich, eröffnen den achten Satz dieses Werkes, gefolgt von schnell nach vorne preschenden Schlägen, mehrspurigen, leicht düsteren Gitarren und der in den Hauptteilen vorhandenen Lead. Majestätik folgt auf aggressives, mindestens fünf Bünde übergreifendes Zwischenspiel folgt auf nachdenklich stimmende Anfangsraserei. Hin und wieder brüllt uns der stimmlich sehr kräftige Frontmann ins Ohr, bevor er zum nächsten Part übergeht und damit meistens alleine beginnt. Den letzten Schliff vollführt eine kleine, knackige Passage, geführt von der in hohen Tönen singenden Gitarre.
Heißt im Klartext: Die Griechen ziehen wie in guten alten Zeiten in den Kampf gegen den Rest der Welt und merzen den Großteil gleichaltriger Konkurrenzplatten ohne Mühe aus. Kein Wunder, schließlich schaffen es Naer Mataron, unverbraucht und erfahren zugleich zu Werke zu gehen - ein waghalsiges Manöver, an dem schon hunderte Kombinationen kläglich gescheitert sind. Diese gehört (noch) nicht dazu, obwohl der Qualitätspfeil anno 2006 leicht nach unten zeigt. Vielleicht ist jene Entwicklung aber auch nur eine kleine Finte, um dann endgültig in die Annalen des Black Metal einzugehen... wer weiß.

9 /10

Official Website

Black Lotus Records

 

Amicus
18.03.2006