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Wenn man Alben wie Trists "Tiefenrausch" hört, könnte man glatt die kindischen Diskussionen über Black Metal und
Nicht-Black-Metal, all den abscheulichen Mitteilungsdrang und Kommentarwahn, vielleicht sogar das provinzielle
Schubladendenken und die deutsche Starrsinnigkeit vergessen, die auch vor den Hörern eigentlich so sinnreicher und
persönlicher Musik keinen Halt gemacht hat. Oder... eigentlich gerade nicht. Trist ist kein Black Metal, ist das
nicht schrecklich? Und trotzdem taucht ein Review des Albums hier auf, inmitten der Hochburg des
Black-Metal-Sittenwächtertums. Unerhört.
Das hat seinen Grund. Trist ist ein Zusammenschluss eines bekannteren Musikers der Black-Metal-Szene mit dem
Autoren, Philosophen und Dichter Timo Kölling, der einigen älteren Lesern noch als Herausgeber des einzig
ernstzunehmenden deutschen Magazins, dem Moondance Magazine, bekannt sein könnte. Zwei Menschen sind hier auf einer
Aufnahme vereint, auf die maßgeblich der Geist des alten Black Metals Einfluss genommen hat, und die beide nun auf
unerwartete Weise das darbieten, was ihnen am besten liegt: Klang und Stimme. Tristan erzeugt mit elektronischer
Hilfe endlos monotone Soundcollagen, die das Bedrückenste und Abgründigste sind, was man seit Lunar Auroras "Ars
Moriendi" gehört hat. Synthesizer und Klangeffekte, bis zur Unkenntlichkeit verhallt, reißen einem an der
Wahrnehmung, dass man das Gefühl für Raum und Zeit verliert. Wabernd und dröhnend wälzt sich eine zäh brodelnde
Melange durch den Brustkorb, die einen zum Loslassen und Gebanntsein zwingt, dass man sich beinahe körperlich
überwältigt fühlt. Melodien und Formen spielen überhaupt keine Rolle, Strukturen verkommen zu Schemen, in denen es
keine Orientierung mehr gibt und deren Auf und Ab man sich ausgeliefert fühlt. Vergleichbares habe ich, in
verstörenderer Form, das letzte Mal bei Brighter Death Now gehört, glaube ich, und das muss 8 Jahre her sein.
Atemlosigkeit macht sich breit, wenn Timo Kölling sanft und seltsam stimmlos zu sprechen beginnt. Er spricht Deutsch,
und doch wieder nicht; es sind Worte, und doch wieder nicht; Gedichte und mehr als Gedichte. In dem, was dort
klingt, schwingt ein Idealbild der Poesie mit: Dichtung ohne Sprache, Klang ohne Wort, Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft in einem, das ungesagt bleibt. "Reines Wehen". Diese Dichtung ist gewollt körperlos, frei von sprachlichem
Pomp, reduziert auf das notwendige Wort, und doch unvergleichlich machtvoll und zwingend. Sie lehrt das Loslassen,
das Etwas-durch-sich-sprechen-Lassen auf denkbar eindrucksvollste Art und Weise, indem sie genügend Raum lässt,
sich darin selbst eine Liegestatt zu erwählen. Sie lehrt auch das Schweigen und das Zuhören, sie tritt als
Verfechter der webenden Stille auf, die von den "Allzugeschwätzigen", aus Angst vor ihrer eigenen Leere?, zerstört
wird. Vielen ist schon das Wort ein Dorn im "leer starrenden Auge": Trist ist auch Religion in seiner
ursprünglichsten Form, in der der Mensch ein Kelch seines eigenen Vertrauens sein sollte.
Mir zeigt sich dieses Album als das, als was es auch bezeichnet wurde, als "Tiefenrausch". Ich bade in einer
seltsam grauschleierigen Mischung aus tiefstem Nihilismus, Pantheismus und prall gefülltem Vakuum, die sich in
Tiefen fallen lässt, die nicht vielen zugänglich sind. 76 Minuten, die sich endlos wiederholen könnten, so wie sich
alles wiederholt. Eine Aufnahme, die sich stetig subjektiv verändert, in der man zwangsläufig versinkt und die
konsequenter, verachtender und schwärzer ist als (fast) alles, was sich nutzlos, willenlos und scheppernd als Black
Metal versteht. Wer immer vom Geist dieser Musik redet, von ihrer Atmosphäre und ihrem faszinierenden Wesen - und
an diesem Album vorbeigeht, der möge von heute an schweigen. Wer es ernst meint mit dem was er sagt (und wohlwissend
gibt es von "Tiefenrausch" auch nur 500 Exemplare), kann sich bei Timo Kölling unter koelling@alkahestdivision.com
melden und ein wunderbar aufgemachtes Album im matten Kartondigipack erstehen, das äußerlich seinem sagenhaften
Inhalt gerecht wird. |
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