ESCARRE

Une voûte sans clef (CD 2015)


Dusktone hatte ich gleich mit der Veröffentlichung des ersten Grisâtre-Albums (Katalognummer Dusk001) unter Kinderzimmer abgelegt; ganz nett, beinahe sogar richtig gut, aber letztendlich nicht wirklich zwingend. Und im Prinzip habe ich seitdem keinen Grund gesehen, diese KiZi-BM-Schubladisierung zu revidieren. Bis jetzt. Dusk025, sozusagen ein kleines Jubiläum, zwingt mich nämlich zum Umdenken, denn "Une voûte sans clef" ist ein Bombenalbum, das das Portofolio einer jeden Plattenfirma aufwerten würde.
Escarre sind aus Kanada, genauer gesagt aus Quebec. Eine irgendwie neue Band, die dennoch auf eine lange Geschichte zurückblicken kann und deren Mitglieder seit über einem Jahrzehnt anderswo teilweise großartige Musik fabriziert haben, beispielsweise bei den leider dahingeschiedenen Veneficium. Diese Leute beherrschen ihr Handwerk, und das hört man. Darüber hinaus jedoch merkt man "Une voûte sans clef" nicht an, was die Musiker bislang getrieben haben, denn Escarre sind ein völlig anderes Biest. Dieses beschreibt das Label als eine Mischung aus "Ved Buens Ende, 8 bit music and Radiohead", während die Truppe selbst von "Experimental eclectic post black metal" fabuliert. Doch was genau soll man sich darunter vorstellen?
Begeben wir uns also auf Spurensuche. Zuerst fallen die Vokaldarbietungen auf. Kein Geschrei sondern durchgehend lamentierender Klargesang. Klingt theoretisch nach VBE, hat aber letztendlich nur wenig mit dem schiefen Sprechgesang der norwegischen Legende zu tun. Jazzige Momente erinnern ein wenig an "Min Tid Skal Komme", aber so sphärisch-entspannt wie Fleurety sind Escarre lange nicht. Was wir soweit haben, ist also die Schublade "komische Norweger", die irgendwie nicht so recht passen will. Fast möchte man schon aufgeben, da bringt der ca. 87. Durchlauf bei "Heurt violine" endlich die lange erwartete Eingebung, und (fast) alle Puzzleteile fügen sich wie von allein zusammen: Cynic! Leiergesang, Jazz, der blubbernde Bass - "Focus" lässt grüßen. Dem furiosen Getrommel wird dieser Vergleich allerdings nicht gerecht, also muss wohl noch "Anthems..." erwähnt werden. Womit wir Cynic und Trym hätten, und dazu fantastische Melodien - mal spacig, mal psychedelisch, mal majestätisch -, die von den Gitarren ebenso getragen werden wir von den mitunter recht eigenen Keybords.
In der Summe klingt das Ganze dann natürlich weder nach Cynic noch nach Emperor, VBE oder Fleurety sondern einfach nur umwerfend. Für meinen Geschmack das beste "etwas andere" BM-Album seit langer Zeit und neben (den ganz anders gelagerten) Batushka eine der größten Überraschungen des Jahres 2015.

10 /10

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Dusktone

 

Erik
03.01.2016