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Wenn sich Meister ihres Faches eine neue Spielwiese zurechtlegen, darf sich der Außenstehende auf Überragendes einstellen; erst recht, sobald kompetente Mitstreiter Hand anlegen dürfen und auf derselben Seite des kreativen Stranges ziehen. Wahre, lang anhaltende Freude kommt hingegen zu dem Zeitpunkt auf, der alle Erwartungen weit über jede bloße Bestätigung hinaus sprengt. Klare, gelungene stilistische Abgrenzungen zu vergangenen Großtaten helfen da umso mehr, den Enthusiamsus der künftigen Fans zu maximieren, ohne dabei Rücksicht auf ewig nörgelnde Nostalgiker nehmen zu müssen.
Anstatt sich also Vergleiche mit ihrem früheren Schaffen gefallen zu lassen, zogen Sänger I.F.S sowie S.T. (dem wir zeitlose Alben wie Golden Dawns "Masquerade" zu verdanken haben) nun andere Bands zur ersten Orientierung für The Negative Bias heran. So erinnern die stürmischen Blastbeatabschnitte an Batushka, während die textliche Phrasierung sowie vor allem die Chorgesänge Belphegor zu zitieren scheinen. Die letzten zwei Stücke hier schlagen eine wesentlich andere, mitunter psychedelische Richtung ein, wobei "Cryptic Echoes From Beyond Dimensions" sogar ausschließlich in Ambientwolken mit orientalischer Percussionbegleitung schwebt und dazu passende Film- bzw Serienausschnitte darüber laufen lässt. Selbst Parallelen zu begnadeten Wahnsinnigen des Schlages Shaded Enmity, Dodecahedron oder Obitus - bei Letzteren aufgrund der vorherrschenden, kosmisch kalten Atmosphäre - lassen sich mehr oder weniger mühelos ausmachen.
Glücklicherweise wissen aber musikalische Könner wie S.T., wie solche Einflüsse in einem Sinneserlebnis münden, das nicht den Eindruck eines beliebig angeordneten Sammelsuriums aus Zweiterfahrungen vermittelt. So kriegt es ein Stück wie "Tormented by Endless Delusions" hin, innerhalb von weniger als vier Minuten den sonst eher unmöglichen Gegensatz von DM-Stampferei und schrillen BM-Gitarrentupfern harmonisch zu vereinen. "And Darkness Should Be The End Of Cosmic Faith" wiederum stellt unter Beweis, wie viel Bewegungsfreiheit dieses Album zulässt: Mit anfangs wesentlich reduziertem Tempo prescht der Abschlussreigen unaufhaltsam nach vorne, verliert nie an Intensität und gipfelt in einem beeindruckenden Rundumschlag.
Zwischen diesen beiden Extremen fahren The Negative Bias ein Brett auf, dessen kraftvolle, facettenreiche Inszenierung stets aufs Neue überzeugt. Und ATMF, die viel zu viele Dürrejahre überstehen mussten, können sich mit dieser Perle nun endlich rehabilitieren. Win-Win auf allen Fronten also. |
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