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Da helfen keine Ausreden: Diese Besprechung ist unverschämt spät dran.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ein Magazin ein im Vergleich
zu etwa Musik schwieriges Medium ist. Ich jedenfalls finde es schwierig,
beim Kartoffelschälen gleichzeitig aufmerksam zu lesen. Ausserdem fällt
es mir schwer, weniger nette Worte zu schreiben, wenn der Macher sich
offensichtlich richtig Mühe gegeben hat. Ein schlechtes Demo kann man leicht
verreissen, da es oft überdeutlich ist, wie egal der Band die eigene Musik ist.
Rimtautas jedoch, der Mann hinter dem Kalavias, ist mit ganzem Herzen dabei.
Das sieht und spürt man. Da möchte man nicht zu gemein sein.
OK, das hat jetzt sicher keiner geglaubt. Ist vielleicht aus meiner virtuellen
Feder etwas gar zu fantastisch. Nein, ich hab's einfach verpennt. Das einzig Entlastende:
Es ist völlig egal. Die dritte Ausgabe des Kalavias hatte schon fast zwei Jahre auf dem
Buckel, als sie bei mir eintrudelte, wenn man nach dem Datum des Vorwortes geht.
Da ist es relativ gleichgültig, ob ich dazu gestern, heute, morgen oder in einem halben
Jahr meinen Senf abgebe. Wann das Heft tatsächlich erschienen ist, weiss ich nicht genau,
ich kann aber mit Bestimmtheit sagen, dass das Interview mit Orlog schon lange Schnee von
gestern war, als ich das Heft das erste Mal in der Hand hielt. Das war einige Monate nach
"Elysion", welches in seiner ganzen Art und musikalischen Ausrichtung einen Grossteil der
Fragen recht antiquiert bzw. völlig fehl am Platze wirken lässt.
Doch bevor ich weiter auf den Inhalt eingehe, will ich auch ein bisschen Lob loswerden.
Das Konzept des Kalavias gefällt mir. Lange Interviews, ein paar ausführliche Artikel
(diesmal etwa zu den Sachsenkriegen), keine Rezensionen. Mit diesem Ansatz kann ein Magazin
auch in Zeiten des Internets noch eine Daseinsberechtigung haben. Schön auch, dass es im Kalavias
keine "beschissene Zensur" gibt. Weniger schön (und noch weniger überraschend) ist dann jedoch,
dass das bloss ein Vorwand ist, um die Paganfront-Kasper von Kroda zu Wort kommen zu lassen. Komisch,
dass Meinungsfreiheit für manche Leute immer nur Meinungsfreiheit in eine Richtung ist.
Zu allem Überfluss sind Kroda musikalisch zum Davonlaufen, aber das scheint bei dieser dritten
Ausgabe beinahe Teil des Konzeptes zu sein. Am meisten Platz wird nämlich meiner "Lieblingsband"
Horn eingeräumt, was ich musikalisch für schwer verständlich halte. Sicher, Geschmäcker sind verschieden.
Aber kann man Horn ernsthaft gut finden? Nun, immerhin erfahren wir, dass Herr Horn trotz
Veröffentlichungen wie "Wanderszeit" im wirklichen Leben kein grosser Wanderer ist. Das ist nicht sonderlich
schockierend, eher finde ich es amüsant, dass das Verhältnis dieses "Naturburschen" zur Natur in
erster Linie ein theoretisches ist. Natur taugt (und da ist Horn ganz sicher kein Einzelfall)
als Motiv fürs Booklet, aber die schicken neuen Rangers will sich keiner schmutzig machen.
Nun ja. Neben dem Wandertheoretiker von Horn, den Justin-Timberlake-Fans ("Cry Me A River") von
Kroda und dem überholten Gespräch mit Orlog kommen noch Fornost zu Wort, was ich eher nicht so
spannend finde, da die Truppe seit ewig und drei Tagen nichts von sich hat hören lassen. Alle
Interviews sind sehr lang, was grossartig ist, doch inhaltlich bewegt man sich gar zu oft im Kreis.
Ein Grossteil der Fragen basiert auf Variationen von nur drei "Kernthesen": Natur super, Menschen nicht super,
alle umbringen. Das ist nicht nur nicht sonderlich originell, sondern wird auch schnell sehr langweilig,
was natürlich auch daran liegt, dass niemand einen frischen Gedanken zum Thema äussert. Über
(pseudo)misanthropisches Gewäsch kommt man eigentlich nicht hinaus.
Was mich zudem nervt, ist die ... nun, ich nenne es mal Selbstverliebtheit des Autors. Wenn jemand gleich im
ersten Satz des Vorwortes seinen "Verstand", seine "Leidenschaft" und sein "Interesse an künstlerischer Tiefe"
lobpreist, dann glaube ich instinktiv gar nichts davon. Wer tatsächlich ein "mit Intellekt
behafteter 'radikaler Philosoph'" ist, der braucht das nicht so plump herauszuposaunen. Jene "radikale künstlerische
Tiefe", welche Rimtautas für sich in Anspruch nimmt, erreicht man nicht durch Geschwalle im Vorwort. Wie der
Volksmund so überaus treffend sagt: Hunde, die bellen, beissen nicht. |
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