WEAKLING

Dead As Dreams (2000)


:: Review I ::

Stellt euch eine Band vor, die so klingt wie Emperor auf "Prometheus" hätten klingen können, hätten sich nicht nach ITNE und ATTWAD Morbid Angel, Barock und Vernunft in ihre Kompositionen geschlichen. Eine Band, die das bösartige Spiegelbild von Solefald ist, das sich - anders als das "Original" - nach "The Linear Scaffold" immer mehr in Richtung Dunkelheit und Wahnsinn entwickelt hat. Eine Band, die zwischendurch auch mal Ausflüge ins Bizarre unternimmt und so Spuren von Combos wie (alten) Fleurety oder Ved Buens Ende in ihrer DNS vorweisen kann. Insgesamt also eine Band, die der feuchte Traum all jener ist, die schon immer eine Schwäche für alle nicht ganz so "truen" Norwegerbands hatten, die trotz musikalischer Eigenart den Geist der Dunkelheit besser einfingen als die meisten Schablonenfinsterlinge. 
Diese Band gibt (bzw. gab) es. Weakling heißt sie und in San Francisco ist sie sesshaft. Die Amerikaner haben nur ein Album namens "Dead As Dreams" veröffentlicht und dieses ist mit Worten schwer zu erfassen. Eigentlich ist es völlig verkehrt, hier von einem schlichten Album zu sprechen, "Monumentalwerk" wäre wohl passender. Die fünf enthaltenen Stücke sind durchschnittlich 15 Minuten lang, doch statt atmosphärischem Gebummel gibt es rasante Sinfonien des Wahnsinns zu bestaunen. Mit "Cut Their Grain And Place Fire Therein" geht es los und schon dieses Lied zieht den Hörer unwiderruflich in seinen Bann. Eiskalt sägende Gitarren bestimmen das Bild, unterlegt vom hypnotischem Gehämmer des Schlagzeugs, dezente Keyboards sorgen für atmosphärische Nebelschwaden und das akustische Sahnehäubchen ist eine Gift und Galle speiende Stimme. Unterbrochen wird die wilde Jagd mal von tonnenschweren Ausflügen in doomige Gefilde, mal von akustischen Einlagen oder düsteren Klangspielereien. Wahnsinn, Schönheit, Trauer, Stärke, Hass, Verzweiflung, Entschlossenheit, Zerbrechlichkeit - das sind Assoziationen, die sicher nicht nur Weakling hervorrufen. Aber wie all dies auf "Dead As Dreams" gleichzeitig passiert, ist einmalig und schlicht atemberaubend. Man muss einfach gehört haben, wie bizarre Klanggebilde nahtlos in chaotischen, räudigen BM übergehen, in dem dann wiederum ein Riff oder eine Melodie den Weg an die Oberfläche findet, die einfach nicht von dieser Welt sein kann. Stimmungsaufbau, Stimmungswandel, abwechslungsreiche Arrangements - sehr trockene Begriffe für die seltene Fähigkeit, Stücke zu schreiben, die auch über zwanzig Minuten funktionieren und ohne Wiederholungen auskommen. Darüber hinaus sind Weakling eine der wenigen Bands, die bisweilen sehr vertrackt zu Werke gehen, ohne dass die Atmosphäre darunter leiden würde. Wer sich beispielsweise das Titelstück anhören kann, ohne eine Ganzkörpergänsehaut zu bekommen, dem empfehle ich einen Besuch beim Hausarzt, um seine vitalen Funktionen überprüfen zu lassen. 
Zum Abschluss möchte ich mich (wieder einmal) bei meiner Lieblingsgazette Isten bedienen: Ich weiss nicht, ob "Dead As Dreams" das beste Album aller Zeiten ist. Aber wenn ich es höre, dann ist es zweifellos das einzige Album in meinem Universum.

10/10

Kommentar abgeben

 

Erik
07.01.2004

:: Review II ::

In meiner Freizeit lasse ich momentan alles mir Bekannte über die Black Metal-Kultur sowohl lyrischer-, als auch psychischerseits, sprich eigene Erfahrungen, Revue passieren. Dabei stieß ich bisher immer wieder auf die altbekannte Aussage "Black Metal ist tot" und dergleichen. Dabei konnte man mit allem, was nach 1997 veröffentlicht wurde, zum Großteil auch nichts mehr anfangen; doch das schiebe ich mit einem sarkastischen Grinsen auf die damalige Abstinenz, welche sich um eben jene Zeitspanne '97-'00 bei mir die Ehre gab. Nun, glücklicherweise schlich sich nach einiger Zeit der Aufarbeitung Einsicht ein, sodass ich letztendlich vieles bis dato Verschmähte, qualitativ Hochwertige genießen konnte. 
Dass sich eine Linie solcher Veröffentlichungen bis heute die Stabilität glücklicherweise bewahrt hat, beweisen mir (natürlich 'unter anderem') beinahe schon einprügelnd die Amis von Weakling. Denn überzeugend ertönt "Dead As Dreams" bereits ab der ersten Minute, welche Teil eines dramatischen Schwarzmetallstücks ist, das auf den ungewöhnlichen Titel "Cut Their Brain And Place Fire Therein" hört (die individuelle Namensgebung führt sich angemerkterweise fort) und eine lang vermisste Klasse aufdeckt. Mit seinen 10:28 Minuten ist es nicht nur das kürzeste(!) der 5 Lieder dieses Albums, sondern stellt als Opener ein Gütemaß auf, welches die gesamte Scheibe nicht verloren geht. Der hier gebotene Querschnitt aus dutzenden verschiedener Einflüsse vereint sich nämlich zu einem wahrlich tollen Gassenhauer, welcher neben alten Godkiller und Forgotten Woods auch mal 'nen Happen 93er Satyricon ergo "The Shadowthrone" bis sogar annähernd Dimmu Borgir zu "For All Tid"-Zeiten heraushorchen lässt. Dabei ist der hohe musikalische Wert vor allem dem enormen, originellen Kompositionsvermögen der Musiker zuzuschreiben, während der restliche Anteil einer interessanten stilistischen Zusammensetzung anzukreiden ist. Mit wirklich perfekter Produktion versehen weist man Gitarren und Keyboards im Zusammenspiel vor, wie ich es lange nicht mehr gehört habe und mir daraufhin eine spezifische Zuordnung bzw. ein ernstzunehmender Vergleich genau im jetzigen Moment leider nicht gestattet ist. Eines Punktes bin ich mir jedoch bewusst: es muss ein nordisches Werk sein, an das mich "Dead As Dreams" erinnert, denn es erklingt in meinen Lauschern verdammt alt; und das rechne ich Weakling bei dieser Scheibe hoch an, ist doch Nostalgie bei weitem nicht mit Altbackendasein gleichzusetzen. 
Bemerkenswert auch, die für ein Schwarzmetalleisen heutiger Zeit sehr ungewöhnliche Komplexität. So gelang es, die Mischung zwischen purem Sound sowie reinem Erscheinungsbild und zeitweise "untruer" Strukturierung der Songs geschickt in der Waage zu halten und trotz Einflechtungen wie durchscheinenden Streichern und Orgeln oder oft recht langen Gitarren-Soli eine verdammt dichte und intensive Atmosphäre aufzubauen. Man spürt förmlich die Emotionalität, welche von den Gehirnen der Musiker als Erzeuger, durch die Muskeln erwähnter Besitzer, hinein in die Saiten, die Felle und das Mikro übergeht - etwas verdammt Ehrliches, Richtiges hat "Dead As Dreams". Zwar zeigt sich die von mir oft angepriesene, eindeutige Eingängigkeit nur in begrenztem Maße, aber um mir soetwas zu geben, kenne ich genügend andere Kapellen, die sich genau darauf spezialisiert haben. Weakling kreieren Musik, die Beschäftigung nicht abverlangt, sondern Beschäftigung erzeugt, denn die Verästelungen innerhalb der Stücke sind, wenn auch glücklicherweise nicht von Komplizität geprägt, ein Merkmal, das den Hörer in den Bann zu ziehen weiß - als lese man ein Buch und müsse den Fortgang unumgänglich kennenlernen, egal was kommt. 
Dieses Debut kann sich demzufolge mit einer Eigenschaft brüsten, die vielen anderen Releases verwehrt blieb und bleiben wird: wahre Spannung. Auch wenn der direkte musikalische Vergleich nicht einfach nur hinkt, sondern schlicht blödsinnig bzw. absolut unpassend ist, möchte ich soweit gehen, dass sich in den Liedern soetwas wie eine Abart der Dramatik wiederfinden lässt, wie ich sie zuletzt bei Dornenreich's Erstling vernommen habe. Die Darbietungen der individuellen Riffs und Keyboard-Linien, Intensität der gequälten Vocals, die Konstruktionen der einzelnen Stücke, die dementsprechende Kraft der Atmosphäre, Wucht erschaffener Gefühle, Originalität des Ganzen, lässt nach 2 Minuten des Hörens nur noch Überzeugung zurück - nach einem kompletten Durchlauf, schlicht Begeisterung. Man hätte sich vielleicht hier und dort etwas mehr druckvolle Direktheit gedacht, aber auf persönliche Bedürfnisse zu achten liegt momentan nicht in meinem Sinne. 
"Dead As Dreams" hat ohne den Ansatz von Zweifel das Potential zum Alltime-Fave, Revolutionswerk und ganz und gar Scheibchen des Jahres, ohne diesem Meisterwerk, im Hinblick auf seine Individualität, den zuletzt genannten Kitsch-Titel ernsthaft zu wünschen. Ehrfürchtig ziehe ich meinen Fleischhut...

9,5/10

Kommentar abgeben

 

sic
24.04.2004