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:: Review I ::
Es ist doch immer wieder berauschend, sich von Zeit zu Zeit einfach den eigenen, nostalgischen Gelüsten
hinzugeben. Vor allem in musikalischer Hinsicht erwischt's einen demzufolge auch recht häufig. Und so glänzt
meine Heimstätte in letzter Zeit wieder vermehrt in alter, schwedischer Frische, die Mitte der 90er
eindrucksvoll den Hartstahl-Markt eroberte. Neben Naglfars "Vittra" und Dissections "The Somberlain" gehört
die einzige Full-Length von Vinterland, mit "Welcome My Last Chapter" betitelt, zu eben jenen Werken, die
nachwievor in purste Verzückung versetzen.
Und leidenschaftlicher kann man typisch schwedischen Schwarzmetall wohl auch nicht vortragen. Im Wechselspiel
zwischen verträumter Melancholie und peitschender Aggression entsenden die 3 Nordmannen um den damaligen Maze
Of Torment-Vokalisten Pehr Larsson 9 Hymnen mitreißender Musizierkunst. So findet man Riffgewitter, die einer
Verfolgungsjagd gleichen, versetzt mit beruhigenden Akustikpassagen, was ein beeindruckendes Maß an Variation
entstehen lässt. Ob nun Abwechslung in Tempo und Dynamik oder sogar längere, ruhigere Einschübe, Langeweile
entsteht hier so schnell nicht. Denn die Detailverliebtheit verspricht neue, interessante Entdeckungen mit
jedem weiteren Durchlauf. Damaliger Szene-Guru Dan Swanö zeichnete nicht nur für die Produktion verantwortlich,
sondern bediente sich zugleich seiner Fingerfertigkeiten als Tastenmann und
verlieh der Musik zeitweise einen wirklich orchestralen Beigeschmack.
Doch eigentlicher Trumpf von "Welcome My Last Chapter" sind die famosen Gitarrenläufe und wahnsinnig
tiefgehenden Melodielinien, welche merklich schwärzer sind, als man es beispielsweise von oben genannten
Institutionen gewöhnt ist. Herr Larsson überzeugt gesanglich zwar nicht gerade mit Originalität, dafür aber
mit einem Gespür für top stationiertes Geschrei, das Leid und Hass optimal transportiert. Und dann immer
wieder diese fantastischen Riffs und Soli... Ich kann es nur nochmal hervorheben: Vorliegende Klampfenarbeit
gehört zweifelsfrei zum Besten, was die letzten 10 Jahre den Weg auf einen Tonträger fand. Man verinnerliche
sich nur mal den Kracher "Still The Night Is Awake", bei dem alle positiven Argumente am dichtesten
zusammenfließen. Atmosphäre ist hier in jeder Note und jedem Ton - dunkel, emotional, gewaltig.
Vinterland verheißen Black Metal, der mit enorm viel Herzblut vorgetragen wird, dass es einem im Minutentakt
einen Schauer über den Rücken jagt. Wahrscheinlich das schwarzmetallischste Werk, das dem Göteborg'schen
Moloch je entsprungen ist. Klasse! |
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:: Review II ::
Euphorie schmälert die Objektivität des Betrachters. Das weiß jeder und trotzdem gibt es immer wieder Alben,
die einen so sehr in Glückszustände versetzen, dass die Stimmbänder lahm gelegt werden. Selbiges passierte
mir auch bei Vinterlands einziger Full-Length-Scheibe - schier endlose Rotationen in meiner Anlage
schienen die Folge zu sein. Doch als "Welcome My Last Chapter" das zweite Mal lief, sackte es erschreckend rasant ab.
Sicher, Vinterland haben es geschafft, diversen damaligen Mitstreitern wie Dissection (heute nur noch ein
Schatten seiner selbst) mindestens die Stirn zu bieten, manche behaupten sogar, dass die Klasse eines "The
Somberlain" oder "Storm Of The Light's Bane" selbst zusammen wenig gegen den vorliegenden Semi-Kracher
ausrichten können. Aber über mehrere Sitzungen hinaus ziehe ich dann doch die Truppe um den Ex-Knacki Nödtveidt
vor. Warum? Unterm Strich klingen die zweifelsohne gelungenen Klampfenläufe einfach gleich melancholisch, das
Geschehen gewinnt mit der Zeit an Langeweile und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem der Hörer sich
längere Gähn-Aussetzer erlaubt. Gegen diesen Umstand spricht das erstaunlich gute, weil fantastisch auf den
Punkt kommende Drumming, welches ausnahmsweise von Menschenhand eingespielt wurde, allerdings wirken die
Bassbecken sehr synthetisch - ob das jetzt am zurechtgezimmerten Sound von Dan Swanö liegt oder nicht, wird
wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Ebenfalls ordentlich sind die verwendeten Keys, wobei der Producer selbst
hinter jenem Platz genommen hat, um fast alles einzuklimpern. Eher ein Lückenfüller ist diesbezüglich das
Instrumental, das aus diversen, stimmungsvollen Samples (wie z.B. Regengüsse) und einer längeren Synthie-Passage
besteht; es hätte weitaus besser als Verbindung zweier Themen eines Songs hinhalten können. Die stimmlichen
Spektren bewegen sich im Schrei- und Klargesang, leistungsbezogen bewegt sich Forg Bragman samt Backing-Stütze
Pehr Larsson im überdurchschnittlichem Bereich. Musikalischer Höhepunkt ist eindeutig die letzte Nummer "Wings
Of Sorrow". Spätestens hier beweisen die Schweden, dass sie ruhig ein paar mehr Alben hätten aufnehmen können.
Fazit: Generell zocken Vinterland in höheren Qualitätssphären, jedoch währt dieser Eindruck lediglich bis zum
zweiten Durchlauf. Ab da zeigt sich kein neues Detail, alles kommt wesentlich fader rüber. Trotzalledem zücke
ich noch acht Punkte, weil man deutlich die große Mühe heraushört, welche sich das Trio gegeben hat. Fans von
Dissections beiden Monumenten oder Ähnlichem sollten unbedingt von vorliegender Platte schon mal gehört haben
beziehungsweise dies sofort nachholen, wenn's noch nicht geschehen ist - Hörgenuss garantiert!
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