THORNS

Thorns (2001)


:: Review I ::

Klingt so die Zukunft des Black Metal? 
THORNS sind innerhalb des Black Metal eine Ausnahmeerscheinung. Ohne jemals ein richtiges Album veröffentlicht zu haben, alleine durch zwei Demos und eine Split-CD mit Emperor, gelangten sie zu Kult-Status und wurden bald schon in einem Atemzug mit den hochrangigsten Acts der norwegischen Szene genannt. Elf Jahre nach der erstmaligen Erwähnung des Bandnamens anno 1990 erschien dann endlich das Debut der sagenumwobenen Band, deren Songs allesamt aus der Feder des einschlägig bekannten Snorre W. Ruch stammen. Der wegen Beihilfe am Mord Euronymus' zu einer Haftstrafe von mehreren Jahren verurteilte Ruch nutzte die Zeit hinter Gittern offensichtlich, um kreative Kraft zu tanken, denn was er nach seiner Entlassung zusammenkomponierte, könnte richtungsweisend für viele andere Bands sein. 
Anstatt auf die alten Black Metal Klischees zurückzugreifen und zum tausendsten Mal das Versammeln von irgendwelchen Wölfen in irgendwelchen Wäldern zu vertonen, gibt es hier Innovation pur. Ruch verbindet geschickt mechanische Industrial-Klänge mit der ursprünglichen Boshaftigkeit des BM; eine Mischung, die zugleich faszinierend, wie auch gewohnheitsbedürftig ist. Abgehackte Riffs, Hintergrundgeräusche, die eher an die Nine Inch Nails erinnern, und gleichzeitig eine kalte, gefühlslose Atmosphäre, die perfekt auf die heutige Zeit abgestimmt zu sein scheint. Großstadt-Black-Metal. Leerstehende Fabrikhallen nehmen den Platz alter Schlossruinen ein. Das Hämmern der Maschinen ersetzt die Schreie aus den vergessenen Wäldern, und graue Hochhausfassaden bilden die neue Baumlandschaft im Black-Metal der Neuzeit. 
Es braucht einige Zeit, um den richtigen Zugang zu dieser Art des BM zu finden, denn leicht verdaulich ist die Kost, die uns THORNS vorsetzen, wahrlich nicht. Doch wer offen für Neues ist und schon an Satyricons "Rebel Extravaganza" Gefallen fand, muss hier zugreifen. Alle anderen sollten alleine schon, weil neben Satyricons "Satyr" auch Dodheimgards Björn "Aldrahn" Dencker Texte und Vocals beisteuerte und Mayhems "Hellhammer" die Drums zerstört, zumindest reingehört haben.

8,5/10

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SeeLeNMoRd
20.02.2002

:: Review II ::

Kalter Black Metal, der weder lieblich noch positiv melodisch ist, sauber und druckvoll produziert ist, ohne lasch zu klingen und auch noch technisch etwas zu bieten hat? Eine utopische Vorstellung, die sich mit dem ersten richtigen Album von Thorns verwirklicht hat. Selten war ein Album so "außergewöhnlich", aber wo fängt man mal an?
Abrupt dröhnt dem Hörer nach dem Einlegen dieses Silberlings eine brutale Wand aus eiskalten, verzerrten Gitarren mit unglaublich schnellem Anschlag und schnellem Schlagzeugspiel entgegen, präzise wie ein Schweizer Uhrwerk und kalt wie Stickstoff, um nach einigen Sekunden abrupt von einem kurzen Sprachsample unterbrochen zu werden und dann genau so abrupt wieder los zu brettern. Hört sich zwar eher gewöhnlich an, ist es aber nicht: Dieses Album wird durch seine Gitarrenarbeit definiert, alles baut auf Riffs auf. Und diese sind weder nordisch-atmosphärisch noch in irgendeiner Weise melodisch, Emotionen wie Melancholie oder alles was Schwäche beinhalten könnte, wird man hier nicht vorfinden. Alles ist kalt und mechanisch, es erinnert nicht wie so oft an urige Naturverbundenheit oder hymnischen Ahnenkult, kein Klischee-Satanismus. Vielmehr erinnert alles an eine leblose, erbarmungslose maschinelle Welt, in der die Menschheit keine Rolle mehr spielt, alles ist metallisch-kalt und berechnend, zerstörerisch und absolut lebensfeindlich. Hass und Zerstörung wurden hier definiert und in abwechslungsreichen Songs vertont, es gibt keine Ausfälle oder Langeweile. Gepaart mit dem ausgezeichneten Drumming von Hellhammer (Mayhem) und den stimmlichen Darbietungen von Satyr (Satyricon, der BM-lastigere Teil der Gesangs-Darbietung) und Aldrahn (Dodheimsgard, sehr mechanischer und kalter, befremdlicher Sprachgesang) entsteht eine absolut befremdliche Atmosphäre, die vor Kälte und Lebensfeindlichkeit nur so strotzt.
Durch den gelegentlichen Einsatz von Industrial-Samples und Keys (die jedoch keinesfalls lieblich sind oder in der üblichen Piano-Rolle ertönen, sondern unheilvolle Klangteppiche im Hintergrund legen) wird diese Atmosphäre nochmals verstärkt. Das Grundgerüst für dies alles bietet ein ebenso kalter und lebloser Sound: Alles ist sehr klar gehalten, die Instrumente sind alle für sich sehr gut zu hören und sehr sauber aufgenommen, was jedoch diesem Album nicht schadet, vielmehr wertet es die Atmosphäre nochmals auf.
Einen speziellen Song herauszupicken und als Hörprobe zu empfehlen ist bei diesem Album wirklich sehr schwer, da jeder Song seinen eigenen Höhepunkt und seine eigene Einzigartigkeit hat. So enthält "World Playground Deceit" eine sehr druckvoll-rhythmische Mid-Tempo-Passage, "Shifting Channels" eine besonders kalte Atmosphäre durch die maschinell klingenden Industrial-Drums oder "Interface To God" ein göttliches Riff im Endteil, welches alles in einer Ladung ungebändigten, kalten Hasses niederwalzt. 
Dieses Album ist sicher nicht für jeden zu ertragen, gerade Traditionalisten werden durch den allzu frischen und "modernen" Sound angewidert sein, andere werden es als zu kalt oder zu extrem empfinden. Aber während jene in ihren verschneiten Wäldern hocken und zusammen mit Trollen in melancholischem Hass vergangenen Zeiten nachtrauern, während sie sich mit Nagelkeulen bewaffnen und Rache gegen den Fortschritt schwören, wird mit diesem Album eben über jenen eine Atom-Bombe abgeworfen. 

10/10

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IT
13.03.2004