SHINING

III - Angst, Självdestruktivitetens Emissarie (2002)


Vor einigen Monaten erfreuten Avantgarde Music den Rest der Welt mit der Botschaft, dass der von Euronymous seinerzeit als "Glamrocker" verunglimpfte Hellhammer heutzutage bei den Schweden Shining die Felle bearbeitet. Wenn man die Bandgeschichte betrachtet, stellt sich natürlich die Frage, warum eine Band mit offensichtlichen Stabilitätsproblemen ausgerechnet Herrn Blomberg als Mitstreiter verpflichten sollte, der gute Mann hat es schliesslich bei den wenigsten seiner Gruppen lange ausgehalten. Zur selbst propagierten extremen Ideologie der Mannen um Kvarforth passt Hellhammer auch seit Jahren nicht mehr, die mehr als traurigen Gründe brauche ich wohl nicht zu nennen. Ob er schliesslich eine musikalische Bereicherung ist, wage ich angesichts der hier gebotenen Stilistik zu bezweifeln. Und was lernen wir aus all dem? Die Italiener haben Hellhammer eingekauft, um mit dem (verblassten) Glanz seines Namens die Band Shining dem Mainstreampublikum und der Hochglanz-Metal-Presse schmackhaft zu machen. Im Endeffekt eine schlichte Promoaktion, die zumindest bei mir einen reichlich faden Beigeschmack erzeugt.
Doch genug der Vorrede... In meinem CD-Spieler dreht sie sich nun, die Scheibe zur Werbekampagne. Lasst uns also für ein paar Minuten die Niederungen des MusikGESCHÄFTS verlassen, um uns der MUSIK zuzuwenden. Shining spielen atmosphärischen, bedrohlichen Black Metal, langsam bis mittelschnell, nie in Prügelorgien ausufernd. Schwarze Lava quillt aus den Lautsprechern und frisst sich in deine Seele. Und in ihren besten Momenten sind Shining wirklich majestätisch und allmächtig, unaufhaltsam und unwiderstehlich. Der Mittelteil von "Fields Of Faceless" beispielsweise ist ganz einfach nicht von dieser Welt, kann es in seiner tiefschwarzen Schönheit gar nicht sein. 
Doch wie so oft ist auch bei den Schweden nicht jeder Schuss ein Treffer, und das letzte Stück bildet eher eine positive Ausnahme auf einem Album, das zwar Potential aufzeigt, aber letztlich eher durchwachsen ist. Pluspunkte gibt es für den schön knurrigen Gesang und die bandtypische Klangphilosophie, den Bass weit in den Vordergrund zu rücken. Das hört sich nicht nur gut an, sondern sorgt auch für ein gewisses Mass an Eigenständigkeit. Nicht so begeistert bin ich von der Produktion auf "III - Angst, Självdestruktivitetens Emissarie", die in meinen Ohren einfach "etwas zuviel Abyss" ist, von den Vorgängern, die ja an gleicher Stelle aufgenommen wurden, habe ich dieses Problem nicht in Erinnerung. Und auch das Songwriting reisst mich nicht durchgängig vom Hocker. So habe ich zum Beispiel während der ersten drei Stücke oft das Gefühl, dass der Band die entscheidende Idee einfach gefehlt hat. Die Lieder sind zwar durchaus gut, aber DAS Riff ist einfach nicht da. Man wartet und wartet, man denkt sich "Jetzt, genau jetzt, müsste es genau SO klingen!", aber die Band war da offenbar anderer Meinung und so bleibt man als Hörer etwas unbefriedigt zurück. Manchmal sind sie wirklich nah dran, aber letztendlich ist es dann wieder nur ein "Hörgenuss Interruptus", genau wie sein naher Verwandter auf Dauer frustierend... Das ändert sich jedoch, wenn man bei Lied Nummer 4 angelangt ist. Das ist nämlich so beschissen, dass man das vorher präsentierte Material zu schätzen lernt. Es erinnert etwas an neuere Immortal-Verbrechen und mündet in ein Heavy-Metal-Solo, das jegliche Atmosphäre in kleinste Stücke zersägt. Um das Mass voll zu machen, legen Shining dann mit "Till Minne Av Daghen" gleich noch ein paar Kohlen aufs Enttäuschungsfeuer. Völlig überflüssiges Cembalogeklimper, das ganz sicher nur auf dem Album zu finden ist, weil die Band eine gewisse Mindestspielzeit an die Plattenfirma liefern musste. "Fields Of Faceless" schliesst dann das Album ab und ist für mich, wie schon erwähnt, der eindeutig beste Song auf "III - Angst, Självdestruktivitetens Emissarie". Diesmal nämlich hatte Kvarforth eine zündende Idee und die hebt dieses Stück mit Leichtigkeit auf 10-Punkte-Niveau. Auch stellt dieses Lied eine gewisse Versuchung dar, dem Album im Endeffekt sieben Punkte zu geben, aber angesichts zweier Totalausfälle wäre das dann doch zuviel des Guten.

6/10  

Official Website

 

Erik
15.10.2002