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Sear Bliss sind eine Band, die Bewunderung verdient, mal ganz abgesehen davon, was man von ihrer Musik
halten mag. Seit Mitte der Neunziger dabei, bringen die Ungarn mittlerweile ihr viertes Album heraus.
Und obwohl ihnen die schreibende Zunft eigentlich immer recht wohlgesonnen war, sind sie über den Status
eines Geheimtipps nie hinausgekommen. Einerseits dürfte das an einer Menge Pech mit den wechselnden Labels
liegen, andererseits kommt es eben auch im BM mehr auf pure Äusserlichkeiten an, als ich mir wünschen
würde und ein grosses Mundwerk verkauft allemal besser als ein grosses musikalisches Talent. Schön zu
sehen, dass dies alles den Mannen um András Nagy relativ egal zu sein scheint und Sear Bliss weiter
unbeirrt den Weg beschreiten, den sie ganz am Anfang eingeschlagen haben. Schöner noch ist allerdings die
Tatsache, dass man trotz stilistischer Treue immer noch Raum für eine beständige Entwicklung gefunden hat
und sich jetzt mit "Forsaken Symphony" in ganz neue Höhen aufschwingt.
Die Bezeichnung "Symphonischer BM" hat ja oft bzw. meistens einen für mich etwas herben Beigeschmack, denn
aufgrund lächerlicher Etikettierungen von Plattenfirmen und Presse ist dieser Begriff schon verdächtig nahe
am Unwort "Melodic BM" dran, das eine nicht minder dumme und (oft zu Recht) diskreditierte Schublade
darstellt. Sear Bliss beweisen mit "Forsaken Symphony" wieder einmal, dass eine Band in beide Kategorien
gehören und trotzdem wunderbare Musik machen kann. Im Normalfall ist ja schon Vorsicht angeraten, wenn man
von einer Band sagen kann, sie verlege dicke Keyboardteppiche. Wenn dann noch diverse Blasinstrumente zum
Einsatz kommen, ist bei mir höchste Alarmstufe, es gibt einfach zu viele Bands, die mit ihrer
inkompetent-erzwungenen Andersheit plus Tastenzauber ihre völlige Ahnungslosigkeit bemänteln wollen. Als
relativ aktuelles Beispiel seien Finnugor genannt, die in diversen Katalogen sicher mit den gleichen
Worten wie Sear Bliss angepriesen werden, was wieder mal beweist, wie unfair das Leben sein kann. Denn ganz
anders als Finnugor sind diese Ungarn genial. Majestätische Keyboards, erhabene bis todtraurige Bläser,
ganze Wagenladungen Pathos, doch auch ungezügelte Aggression, treibendes Drumming, ein monströser Bass und
ungemein rauhe Gitarren prägen dieses Album. Dazu eine kräftig-kratzige Stimme, die mal nach Pure Holocaust,
mal nach Dark Medieval Times oder The Shadowthrone klingt. Black-Metal-Melodien für Millionen werden am
Fliessband abgeliefert, hier von den perfekt integrierten Blasinstrumenten, dort von den sechs Saiten.
Keyboard- und Gitarrenwände türmen sich auf, um den völlig überwältigten Hörer unter sich zu begraben.
Dramatische Stücke voller Schönheit und Angriffslust, der Geist des ursprünglichen BM immer präsent.
Sear Bliss haben ihren Stil derart perfektioniert, dass ich mich ernsthaft frage, ob hierzu noch eine
Steigerung möglich ist. Trotz des recht guten Jahres für mich ein ganz heisser Kandidat für das Album des
Jahres 2002. Sagenhaft. Ergreifend. Wunderschön. |
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