PRIMORDIAL

Spirit The Earth Aflame (2000)


Es bedarf schon eines gewissen Spagats, um dieses kleine Stück irischer Musikkultur eindeutig dem Bereich zuzuordnen, welcher in diesem Index hauptsächlich thematisiert wird. Das steht bereits fest, wenn Primordial uns mit Möwengeschrei, andächtigem Trommeln und dem vielschichtig arrangierten Spiel der Saiteninstrumente begrüßen, über dem sich klagend eine einzelne Gitarre erhebt. Hinzu kommen die mit sonorer Stimme vorgetragenen Worte des Sängers, bevor diese bei "Gods To The Godless" in jenen unverkennbar charismatischen Gesang übergehen, der fortan ein ständiger Begleiter sein wird. Und so kündet man im getragenen Tempo von Versklavung und Untergang eines Volkes, die Gitarren in unnachahmlichem Zusammenspiel vereint, mit den melodischen Spitzen, die ein weiteres Charakteristikum darstellen. 
Mit der Zeit zollt man den lyrischen Ausuferungen Tribut und ergänzt den cleanen Gesang durch eine dunkle, bösartigere Variante. Während wir in stetiger Unrast weiterreisen, wartet man bei "The Soul Must Sleep" mit den bereits benannten Aspekten auf, verzichtet jedoch völlig auf verzerrten Gesang, setzt stattdessen auf einen leichten Kanon, welcher das Gefühl des Traumwandelns noch unterstützt. Auf dem folgenden Stück erhöht sich zum ersten Mal merklich die Geschwindigkeit, zunächst jedoch ohne gesanglich in typische Pagan-Metal-Gefilde abzudriften, was dazu verhilft, dass der Text womöglich eine noch größere Wirkung entfaltet, als würde er mit Kreisch- oder Krächzgesang vorgetragen. Fast schon wie ein Blick in die Vergangenheit wirkt danach "Glorious Dawn", dessen majestätischer Anfang, nicht zuletzt wegen der erhabenen Melodien und des beschwörenden Drummings, auf einen weiteren epischen Midtempo-Song schließen lässt. Im Mittelteil treten jedoch deutlich die dunkelmetallischen Wurzeln zu Tage, man wagt erneut den Tritt auf's Gaspedal, besinnt sich zudem vokalisch auf die härtere Gangart - fast wirkt es wie ein Befreiungsschlag. Auf diesen Kraftakt folgt auch prompt die Entspannung, und zwar in Form eines Instrumentals, das uns mit einer veträumten Melodie und dem Einsatz der akustischen Klampfe auf den offiziellen Schluss des Albums vorbereitet. Am Ende des Weges bereiten rhythmische Drums und Chöre das Geleit, während man gemächlich davonschreitet und die Band bei "Children Of The Harvest" noch einmal alle Register ihres Könnens zieht und den Hörer in einer Stimmung, irgendwo zwischen Abschied und Wiederkehr zurücklässt. 
Auf dem Digipak gibt es als Bonus noch die Live-Version von "To Enter Pagan", allerdings beschränken sich die Anzeichen, dass man vor Publikum gespielt hat, auf die Ansage und ein paar Zwischenrufe zu Beginn, der Gesamtsound ist eigentlich schon zu perfekt abgemischt. Wegen der durchgängig verzerrten Vocals schlägt man härtetechnisch fast den gesamten Rest des Albums, obwohl die eingängigen Riffs und das Fehlen sturen Geknüppels dies relativieren. 
Mit dieser Veröffentlichung legen uns Primordial ihre Interpretation des Pagan-Metal vor und vernachlässigen fast gänzlich die Elemente, welche dieses Genre (falls es je existierte) immer mehr in Richtung Black-Metal-Ecke drängen. Sollte ich jemals genötigt sein, eine passende musikalische Untermalung für die bewegte Geschichte Irlands zu finden, fällt die Entscheidung sicherlich nicht schwer, spiegelt "Spirit The Earth Aflame" doch unverkennbar die Mentalität eines Volkes wider, gefangen zwischen den Tragödien der Alt- und Neuzeit und doch beseelt mit unerschütterlichem Stolz. Die im Booklet enthaltenen Kommentare tragen zur Komplettierung des Gesamteindrucks bei und wenn ich sie schon nicht in die Wertung einbeziehen möchte, sollen sie doch positiv erwähnt werden. Abschließend kann man sagen, dass die Musik und auch die Texte auf diesem Silberling vor allem eines sind: zeitlos.

9,5/10

Official Website
Kommentar abgeben

 

Johannes
10.05.2004