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:: Review I ::
Vor nicht all zu langer Zeit ist mir diese Band aus Dänemark untergekommen und so unscheinheilig wie sie
alle klingen mögen, findet man manchmal eine wahre Perle unter ihnen. Nach nunmehr drei Demos und einer
kleinen Anzahl (wieder-)veröffentlichten Alben steht Nortt selbst (als Person) mit
"Gudsforladt" wahrscheinlich auf der Spitze seiner bisherigen Laufbahn. Somit darf auf eine knapp neunjährige Bandgeschichte eindrucksvoll
zurückgeblickt werden. Zwar ist diese CD "nur" eine nachgepresste Veröffentlichung der Ende 2003 erschienenen
Vinyl-Version, doch darf man wohl sagen, es ist eine der furchterregendsten Veröffentlichungen, die je
zutage gebracht wurde. Was hier an tief schwarzer Emotion vertont wurde, steckt selbst das so bekannte
Burzum-Feeling in die Tasche. Man mag es nicht für real halten, denn mit dem was Nortt bisher geschaffen hat,
würde man normalerweise gar nicht erst an die Öffentlichkeit treten, sondern gleich mit einem Kopfschuss
beenden.
Wie auch auf früheren Vertonungen, werden hier typische Doom Metal Elemente mit deren des Schwarzmetalls zu
wahnsinnig kalten atmosphärischen und durchdringenden Hymnen des Todes gesponnen, die absolut nichts als
pure Depression und Hoffnungslosigkeit hinterlassen. Durch die zuerst genannte Stilrichtung ist es für
erfahrene Musikveteranen natürlich ein Leichtes zu erraten, welches Tempo auf diesem Tonwerk vorherrscht,
ansonsten würde es der Fachmann wahrscheinlich irgendwo bei "grave" und "lento" (sprich: schleppend langsam)
ansetzen. Mit seinem stimmgewaltigen Gesangsorgan lässt uns Nortt weit in seine Seele blicken, die sehr
kraftvoll und dunkel durch die Lieder schallt. Wie dem Ableben nahe, haucht er uns sein Leid förmlich
entgegen. Dabei bringt die leicht angeraute Produktion dieses so perfekt rüber, dass es uns von allen Seiten
packt und unweigerlich in seinen Bann zieht. Allein schon bei der Stimme geht man sehr abwechslungsreich vor
und kombiniert eindrucksvoll verschiedene Gesangsstile wie das oben erwähnten Hauchen, eine Art Jaulen und
Flüstern. Textlich geht es bei Nortt, wie kann es auch anders sein, um Dunkelheit und Tod. Er sieht ihn als
einzige Rettung und bezeichnet seine Verbundenheit als eine Art Erotik - es ist eine Leidenschaft! Außerdem
besonders gut eingesetzt, vernimmt man hier sowohl Keyboardklänge, als auch ein Piano, welche die Atmosphäre
fulminant veredeln und keinesfalls nervig oder kitschig wirken lassen. Was die Gitarre hier vollbringt, kann
man sich ja schon vorstellen. Überzerrte, hallende und umwalzende Riffs werden dem Hörer entgegengeworfen,
die auch hier alles andere als langweilig, eintönig oder ausgelutscht klingen. Zusammen mit den sehr
schwerwiegenden Takten des Schlagzeugs klingt es fast wie eine riesige Gewitterwolke, die ihren Donner auf
uns nieder speit. Es entstehen wirklich fantastische Passagen aus ambienten Klangfolgen, die einen brutal
in den Abgrund ziehen, ohne wirklich wieder auftauchen zu wollen. Man beweist, dass es keiner 20 Minuten
Balladen bedarf, um die Wirkung eines Albums zu steigern, denn hier werden solche auf fast fünf Minuten im
Durchschnitt zusammengepresst. Wie sich das auf die Intensität auswirkt, kann man nur erahnen.
Wenn man die Aufmachung des Albums auch noch in die Wertung einbringen würde, wäre das eher unfair, da man
halt nicht immer ein prachtvolles Digipack herausbringen kann. Dennoch ist die Arbeit zu loben, so ist jedes
der tausend Stück ein kleines handgemachtes Unikat mit Handnummerierung und aufwendigem Bund aus starker
Pappe. Das Innenleben wird durch ein mehrseitiges Booklet über abgedruckte Texte, Selbstportrait sowie die
üblichen kurzen Informationen zum Album selbst, reichlich präsentiert.
"Gudsforladt" besitzt besonders musikalisch das Zeug zum Meisterwerk und darf wohl sorglos zu einer der
besten Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Doom/Black Metals der letzten Jahre gezählt werden. Wer zu
seinem kurzzeitig beschlossenen Lebensende noch die klanglich passende Unterlage sucht, dem sei hiermit
geholfen. Doch lasst euch nicht ganz so viel Zeit damit, denn irgendwann werden auch die letzten der 1000
Exemplare vergriffen sein. |
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:: Review II ::
Das von Burzum vorgelegte Prinzip, depressiven Black Metal zu spielen, wurde ja besonders in den letzten
Jahren häufig von Bands aufgegriffen, variiert, perfektioniert und trendfähig gemacht. Doch wer glaubte, diese
Weise sei die einzige im schwarzmetallischen Universum, Dinge wie Verzweiflung, Katatonie oder Todessehnsucht
musikalisch zu definieren, muss sich nun eines besseren belehren lassen. Denn Nortt brachte bzw. bringt
frischen Wind in jene herrausragende Abspaltung dieses innigen Lebensgefühls Black Metal. Da der Däne unter
dieser Benennung jedoch schon einige Jährchen vor sich hin agiert und demzufolge etliches an Material
veröffentlichte, fällt es natürlich nicht ganz einfach, sich ein Werk herauszupicken, welches die originelle
Stilistik und einkerkernde Magie der Musik am besten repräsentiert, da das Gros an Releases jederzeit
qualitativ hochwertig ist. Ich entschied mich letztendlich für das 2003er Album "Gudsforladt", ohne bestimmte
Gründe dafür nennen zu wollen und zu können. Doch jetzt zum Hauptsächlichen.
Im Gegensatz zu den 90ern, in denen ein Intro mit Regengeprassel über-triebenermaßen jedes zweite Album
einleitete, wirkt das im neuen Jahrtausend schon fast wieder interessant und birgt sogar einen kleinen Ansatz
von Nostalgie in sich; im Falle "Gudsforladt" jedoch, ist solch ein Sample mit
soundtrackartigen Keyboards unterlegt der optimale Einklang, "Graven" betitelt, zu einem Szenario düsterster Visionen. Die allein durch 2
Minuten erschaffene Atmosphäre legt sich ohne Rücksicht schwerfällig auf die Seele und nimmt sie in den
Würgegriff, während die vorbereitende Sequenz nahtlos in das erste metallische Stück "Döden" übergeht, welches
Struktur und Klang des kompletten Albums aufzeigt: eine Verquickung von Black, Dark und Doom Metal und zwar
par excellence. Dabei bewegt man sich tempobezogen in Territorien wie etwa "schnellere"
Khanate - ein
taktliches Konzept bleibt also ohne Probleme erkennbar und man schleppt sich dementsprechend gewichtig durch
10 lebensverneinende Songs. Man bedient sich verschiedener Elemente, die eine wirklich selten so gefühlte
Dunkelheit mit sich bringen. Angefangen bei den Schwarzstahl-typischen, grimmigen Gurgel-Krächz-Vocals über
simpel und logischerweise langsam gespielte Riffs mit tiefgehender Schwere bis hin zu Piano-, Orgel- oder
Streicherarrangements, die der ohnehin schon bedrückenden Grundstimmung einen zusätzlichen, beinahe
orchestralen und unheimlichen Touch verleihen. Personifiziert kriecht "Gudsforladt" zwar menschenähnlich,
allerdings geschunden und verkrüppelt, verunstaltet und gebückt unter der Last der Leiden daherzitternd durch
das Bewusstsein des Hörers und lässt Bilder von Missgeburten, Suiziden, Verstümmelungen und dergleichen in
grauen, endzeitlichen Umgebungen vor dem geistigen Auge erscheinen, was einen psychopathischen, kranken
Eindruck hinterlässt. Die Musik ertönt jedoch so nah an fast reeller Wahrnehmung, dass sie einem Alptraum
gleicht, bei dem man ebenso wenig weiß, dass er nur ein solcher ist. Beweis genug, um die emotionale Stärke
und Tiefe dieses Eisens zu erkennen, das von der ersten bis zur letzten Minute ergreift und in richtiger
Ausgangslage nur noch Apathie zurücklässt.
Natürlich hätte man allem noch Aggression oder Hass beimengen können, doch wozu? Solcherlei
Abwechslungsreichtum hätte weder Sinn gemacht noch auch nur ansatzweise die hiesig erzeugte Atmosphäre, welche
prinzipiell vielleicht, wenn auch mit meist anderen Mitteln aufgebaut, an die von Shining-Werken erinnert,
entstehen lassen können, was aufzeigt, dass eine konzeptionelle Betrachtung dieses vertonten Stücks Morbidität
unbedingt notwendig ist. Sicherlich fungiert "Gudsforladt" nicht als Ultimativum für jedermann oder gar jede
Zeit, doch stellt es in seiner Originalität und enormen Aussagekraft ein wahrhaftiges Juwel dar, welches nicht
nur die eigenen makaberen Horrorvisionen musikalisch manifestieren könnte, sondern nach dem womöglich der ein
oder andere schon immer gesucht hat. Tödlich genial diese Musik. |
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:: Review III ::
Zuviel positive Kritik reizt zum Widerspruch. Das könnte, wenn man die Wertung betrachtet, das Motto für diese
Rezension sein. Doch trifft es die Sache nicht wirklich, denn ob der Lobgesänge war ich wirklich neugierig auf
Nortt's neuestes Werk, obwohl (oder gerade weil) ich mit dem bisherigen Schaffen des Dänen nie richtig warm
geworden bin. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt...
Was auf "Gudsforladt" dargeboten wird, muss man zweifellos als depressiven BM bezeichnen, keine Frage, doch mit
dem gegenwärtigen Selbstmordtrend hat Nortt musikalisch sehr wenig zu tun. Ich würde das Ganze eher als Winter
im BM-Kostüm bezeichnen wollen. Sehr langsam geht es zu, so langsam gar, dass ich nicht von Riffs sprechen
möchte, sondern eher von einzelnen Akkorden, welche im erdrückenden Breitwandformat auf den Hörer niederstürzen.
Das Schlagzeug liefert dazu den schleppend-apokalyptischen Rhythmus, fast durchgängige Piano- und Orgeluntermalung
sorgen für die passende Endzeitstimmung und auch gesanglich wird wunderbar gelitten. Soweit - so gut, Zeit für
eine Bestandsaufnahme. Man kann Nortt ohne Probleme zugestehen, originell zu sein, zumindest für BM-Verhältnisse.
Doch genau da liegt in meinen Ohren der Hase im Pfeffer. Schwarzmetallern kann man "Gudsforladt" sicher als die
Neuerfindung von Depression verkaufen, wer jedoch gelegentlich über den BM-Tellerrand hinausschaut, dem fällt
auf, dass Nortt so originell nicht ist. Vielmehr handelt es sich um Funeral Doom mit Kriegsbemalung und wenn man hinter die Maske schaut, sieht die ganze Angelegenheit auf einmal nicht mehr ganz so glänzend aus. Im Vergleich
zu langsamen Vertretern der Doom-Death-Fraktion macht Nortt nämlich meiner Meinung nach keine überragende Figur.
Die Ursache dafür liegt ganz einfach im zu schlichten musikalischen Konzept, "Gudsforladt" verlässt sich leider
einzig und allein auf die Wirksamkeit der Langsamkeit. Das schafft zwar Atmosphäre für ein oder zwei Stücke, für
eine ganze Stunde Albumspielzeit ist das aber zu wenig und erweckt auf Dauer den Eindruck von Effekthascherei.
Eine Stilistik allein kann eben ein Album nicht tragen, dazu bedarf es musikalischen Inhalts und den vermisse
ich auf diesem Album noch zu oft. Die Riffs (bzw. Akkorde) beispielsweise sind zu beliebig und erreichen bei
weitem nicht die zerstörerische Energie beispielhafter Genrewerke. Und da die gestalterischen Mittel bei Nortt
ja bewusst beschränkt wurden, fallen Unzulänglichkeiten an der Gitarrenfront natürlich doppelt ins
Gewicht. Desweiteren wirken viele der Stücke einfach zu statisch und das lasse ich sicher nicht als "Stilmittel"
durchgehen, denn kompositorische Dynamik hat nichts mit dem Tempo der Musik zu tun. Beim Hören von "Gudsforladt"
habe ich jedenfalls zu oft das Gefühl, dass einzelne Abschnitte einfach aneinandergereiht wurden, anstatt
organisch auseinander hervorzugehen oder einander zu kontrastieren.
Unterm Strich bleibt - im Vergleich zu meinen Hoffnungen - vor allem Enttäuschung. Nortt haben kein wirklich
schlechtes Album abgeliefert, aber dem allgemeinen (?) Jubel kann ich mich nicht anschließen. Denn "Gudsforladt"
mag zwar auf viele originell wirken, ist aber bei einer genaueren Untersuchung der Sachlage kaum mehr als ein
durchschnittliches Genrewerk. Schade. |
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