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Nehëmah, die zweite. Im Vorfeld war ich mir fast sicher, hier einfach nur ein ausführliches Lob verfassen zu
müssen. Jetzt, da ich die Scheibe kenne, hat sich das etwas geändert. Vielleicht ist es ja bloss meine
übertriebene Erwartungshaltung, aber bis jetzt bin ich nicht uneingeschränkt begeistert. Den Ursachen werde
ich im Folgenden auf den Grund gehen.
Das erste -zugegebenermassen kleine- Detail, das mir etwas Bauchweh bereitet, sind die Titel. Das fängt schon
beim Album an: "Shadows From The Past" hat nicht nur als Albumtitel schon Verwendung gefunden, sondern ist
auch als Konzept reichlich ausgelutscht. Als Referenz an die "guten alten Zeiten" mag das durchgehen, aber mit
ihren Referenzen übertreiben es Nehëmah diesmal etwas. "Light Of A Dead Star" handelte von Hexen und Drachen,
nicht übermässig originell, aber wenigstens nicht zu offensichtlich klischeetriefend. Das erste Stück auf
"Shadows..." widmet sich der nach Dracula wohl bekanntesten Blutsaugerin, Gräfin Bathory. DAS wäre nun wirklich
nicht nötig gewesen... Genauso wenig wie ein weiterer Beitrag zur Thematik Werwölfe ("Siguilum Sanctum
Lycantropia"). Ich verlange ja gar keine Wunder an Einfallsreichtum, aber die Franzosen haben den Bogen für
meinen Geschmack wirklich überspannt. Die norwegischen Titel können da eigentlich kaum noch etwas kaputtmachen.
Natürlich ginge auch das irgendwie als Referenz durch, aber ich war immer der Meinung, dass wir alle diese Phase
in den Mittneunzigern lieber vergessen würden, als sogar in Zentralafrika "Nordmänner" auftauchten... O.K., genug
über Äusserlichkeiten gemeckert, lasst uns zur Musik kommen.
Auf den ersten Eindruck hin scheint sich im Hause Nehëmah nicht viel geändert zu haben. Der gleiche Mix aus
schnell und langsam, eine voluminöse, räudige Produktion mit deutlich vernehmbarem Bass. Doch nach mehrmaligem
Anhören offenbaren sich sogar eine ganze Reihe von Unterschieden. Da wäre zum Beispiel eine Leadgitarre, die sich
ab und zu in den Vordergrund schiebt und die es so auf dem Vorgänger nicht zu hören gab. Zum anderen hat sich
auch der Sound etwas gewandelt, er wirkt eine Spur "matschiger", ohne jedoch an Räudigkeit oder Durchschlagskraft
gewonnen zu haben. In den Klang von Gitarre und Bass hat sich ausserdem eine Spur klassischer Bathory-Alben
eingeschlichen und vor allem in den langsamen Passagen stand Quorthon wohl auch musikalisch Pate. Zu einer
Kopie werden Nehëmah hier aber nicht, auch nicht bei den Mayhem-Anleihen, die besonders bei "Warlock" hervortreten
und ja auch schon auf dem ersten Album zu finden waren ("I Will Sleep With
The Dragon"). Was mir jedoch richtig
die Laune verdirbt, ist das Lied "Selvmord" und das liegt nicht am norwegischen Titel. Bis 5:20 ist meine Welt
noch in Ordnung, dann klappt mir ob der hier offenbarten Dreistigkeit die Kinnlade runter: Nehëmah haben es
wirklich und wahrhaftig fertiggebracht, einen Part 1:1 von "Under A Funeral Moon" zu stibitzen. Und das bei der
Band, die mir gerade wegen des Verzichts auf Darkthrone-Anleihen auf dem ersten Album so sympathisch war! Ich
frage mich ernsthaft, was das soll...
Natürlich gibt es auch ein paar gute Nachrichten, so sind mit "Black Winds Over The Walls Of Csejthe" oder
"Warlock" echte Kracher vertreten, wie man sie von "Light Of A Dead Star" kennen und lieben gelernt hat. Einen
Übersong wie "Nehëmah In Vulva Infernum" habe ich zwar nicht ausmachen können, aber das Hauptproblem liegt in
meinen Augen woanders. Nehëmah haben ganz einfach einen Teil ihrer (relativen) Einmaligkeit verloren. Mit zu
vielen "Referenzen" und offenem Diebstahl haben sie sich schlicht der True-BM-Masse angenähert und dabei auch
ihr Händchen für die ganz grossen Momente eingebüsst. Das finde zumindest ich schade. "Shadows From The Past"
ist beileibe kein schlechtes Album, aber in Anbetracht des von der Band selbst gesetzten Standards wirkt es wie
ein Schnellschuss und lässt mich milde enttäuscht zurück. |
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