NAGLFAR

Sheol (2003)


Ich versteh' die Welt nicht mehr! Im Rock Hard ist diese Scheibe jetzt schon Album des Jahres im Hartwurstsektor und generell wird diese Langrille gefeiert, wie schon lange nicht mehr gefeiert wurde, wenn's was Neues auf dem Krachmarkt gab. Dabei kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wieso. 
Aber decken wir ersteinmal Vergangenes auf und graben uns zur Gegenwart durch: Mitte der 90er tobte in Schweden der ganze Metal-Mob zum Göteborg-Sound. Eine Scheibe nach der anderen erblickte das Licht der Welt und der Trend wuchs und gedieh. Schuld an allem war eine einzige Band: Dissection. Sie erschufen einen der wohl geliebtesten Death/Black Metal-Stile und entfachten 1995 mit ihrer "Storm Of The Light's Bane"-Scheibe ein Feuerwerk sondersgleichen. Die Messlatte ward gesetzt. Ein Jahr später, kurz bevor die Szene allmählich die Nase voll von aggressiven und melodischen Gitarren hatte, gab es nochmal einen harschen Stich aus Richtung der Göteborg-Vertreter. Naglfar schmissen ihr Debut "Vittra" auf den Markt und boten ein wahres Schlachtefest für die Hartmetal-Gemeinde. Kein Album dieser Gattung konnte eine solche Fülle an Intensität, Aggressivität, geilen Melodien und Gänsehautatmosphäre aufweisen wie dieses. Dabei war die Formel eigentlich ganz simpel: Man nehme Dissection, kombiniere diese mit schnellem, melodischem Black Metal, streue heiseren Kreischgesang hinein und rühre alles zu einem Hammeralbum zusammen. Songs wie "Through The Midnight Spheres" oder "Enslave The Astral Fortress" gehören noch heute zu meinen persönlichen Top 50 an hartem Metal. Doch wie gehabt, die Szene war schon bald recht genervt vom Göteborg-Geschepper. Unsereins war da nicht anders und deshalb ist mir der "Vittra"-Nachfolger namens "Diabolical" bis heute nicht zu Gehör gekommen. Doch so langsam (nach einigen Jahren quasi) bekam man wieder Lust auf diese Art von Musik - die Nachricht, dass Naglfar ihr neuestes Höllenkind gebären werden, war demzufolge erfreulich und spannte mich wie einen Flitzebogen. 
Als sich "Sheol" dann endlich auf meinem Plattenteller drehte, traute ich meinen Ohren nicht. Das sollen Naglfar sein? Wo sind all die treibenden, aggressiven und absolut genialen Gitarren? Wo ist der Kreischgesang? Kurz: Wo ist der Göteborg hin? Naglfar anno 2003 klingen anders. Das, was den nostalgischen Hörer hier erwartet ist kein mittneunziger Schwedenstahl, sondern ein Mix aus Dark Funeral, Dissection und neueren Dimmu Borgir. Der absolute Mainstream also. Wobei der Dark Funeral-Anteil am gewichtigsten ist. Die Klampfen sägen und schreien nicht mehr vordergründig, sondern wurden weiter in den Hintergrund gerückt, die Melodien sind Allerweltswerk, der Gesang ist Black Metal-Durchschnitt und ein hier und da eingebautes Keyboard erinnert nicht selten an die erwähnten Norweger. Sagt mal Jungs, was soll das eigentlich? Alle Informationen, die ich mir holte, bevor diese Scheibe bei mir ankam, ließen mich auf ein zweites "Vittra" freuen, aber damit hab ich bei aller Vernunft nicht gerechnet. Ihr Leser, versteht mich nicht falsch, "Sheol" ist mit Sicherheit ein Klasse-Album geworden und vor allem technisch eine Seltenheit und wenn nicht "Vittra" gewesen wäre, könnte man es wohl auch als Nostalgiker abfeiern wie die Hölle, aber dass sich Naglfar in eine so extrem trendorientierte Richtung bewegen, stößt mir doch sehr sauer auf. Es klingt völlig austauschbar: die ganz eigene Note, die auf dem Debut definiert wurde, ist völlig verschwunden. Und Klau bei anderen Bands zu betreiben sehe ich nicht als Weiterentwicklung, sorry. Eine Scheibe, die wohl in Zukunft nebenbei vor sich hindudeln wird. Sicherlich, "Sheol" ist auch soundtechnisch top und die Aufmachung ist genial, aber das ist auch nicht alles. Ich kann mir vorstellen, dass Metaller, die es erst vor ein oder zwei Jahren geworden sind, den Drittling Naglfar's durchaus als eines ihrer zukünftigen Alltime Faves ansehen werden, doch diejenigen, die gehofft haben, die Schweden 2003 wiederum auf dem Leistungs- niveau wie vor 7 Jahren anbeten zu dürfen, werden von "Sheol" wohl sehr enttäuscht sein, wie ich es auch bin. Trotzdem ist die Platte eine durchaus gute und sticht aus der Masse der Veröffentlichungen hervor. Nur ich finde leider keinen wirklichen Zugang zu den Tracks. 
Fazit: Ein musikalisch sehr gutes Black Metal-Album, doch so enorm geistlos, dass einem die Songs wenig übermitteln und somit auch nicht hängenbleiben. Wohl nur für die Hartheimer etwas, die mit göteborgschen Naglfar nie etwas anfangen konnten. Schade.

7/10

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sic
09.05.2003