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Ich versteh' die Welt nicht mehr! Im Rock Hard ist diese Scheibe jetzt schon Album des Jahres im Hartwurstsektor
und generell wird diese Langrille gefeiert, wie schon lange nicht mehr gefeiert wurde, wenn's was Neues auf
dem Krachmarkt gab. Dabei kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wieso.
Aber decken wir ersteinmal Vergangenes auf und graben uns zur Gegenwart durch: Mitte der 90er tobte in Schweden
der ganze Metal-Mob zum Göteborg-Sound. Eine Scheibe nach der anderen erblickte das Licht der Welt und der
Trend wuchs und gedieh. Schuld an allem war eine einzige Band: Dissection. Sie erschufen einen der wohl
geliebtesten Death/Black Metal-Stile und entfachten 1995 mit ihrer "Storm Of The Light's Bane"-Scheibe ein
Feuerwerk sondersgleichen. Die Messlatte ward gesetzt. Ein Jahr später, kurz bevor die Szene allmählich die
Nase voll von aggressiven und melodischen Gitarren hatte, gab es nochmal einen harschen Stich aus Richtung der
Göteborg-Vertreter. Naglfar schmissen ihr Debut "Vittra" auf den Markt und boten ein wahres Schlachtefest für
die Hartmetal-Gemeinde. Kein Album dieser Gattung konnte eine solche Fülle an Intensität, Aggressivität, geilen
Melodien und Gänsehautatmosphäre aufweisen wie dieses. Dabei war die Formel eigentlich ganz simpel: Man nehme
Dissection, kombiniere diese mit schnellem, melodischem Black Metal, streue heiseren Kreischgesang hinein und
rühre alles zu einem Hammeralbum zusammen. Songs wie "Through The Midnight Spheres" oder "Enslave The Astral
Fortress" gehören noch heute zu meinen persönlichen Top 50 an hartem Metal. Doch wie gehabt, die Szene war
schon bald recht genervt vom Göteborg-Geschepper. Unsereins war da nicht anders und deshalb ist mir der
"Vittra"-Nachfolger namens "Diabolical" bis heute nicht zu Gehör gekommen. Doch so langsam (nach einigen Jahren
quasi) bekam man wieder Lust auf diese Art von Musik - die Nachricht, dass Naglfar ihr neuestes Höllenkind
gebären werden, war demzufolge erfreulich und spannte mich wie einen Flitzebogen.
Als sich "Sheol" dann endlich auf meinem Plattenteller drehte, traute ich meinen Ohren nicht. Das sollen
Naglfar sein? Wo sind all die treibenden, aggressiven und absolut genialen Gitarren? Wo ist der Kreischgesang?
Kurz: Wo ist der Göteborg hin? Naglfar anno 2003 klingen anders. Das, was den nostalgischen Hörer hier erwartet
ist kein mittneunziger Schwedenstahl, sondern ein Mix aus Dark Funeral, Dissection und neueren Dimmu Borgir.
Der absolute Mainstream also. Wobei der Dark Funeral-Anteil am gewichtigsten ist. Die Klampfen sägen und
schreien nicht mehr vordergründig, sondern wurden weiter in den Hintergrund gerückt, die
Melodien sind Allerweltswerk, der Gesang ist Black Metal-Durchschnitt und ein hier und da eingebautes Keyboard erinnert
nicht selten an die erwähnten Norweger. Sagt mal Jungs, was soll das eigentlich? Alle Informationen, die ich
mir holte, bevor diese Scheibe bei mir ankam, ließen mich auf ein zweites "Vittra" freuen, aber damit hab ich
bei aller Vernunft nicht gerechnet. Ihr Leser, versteht mich nicht falsch, "Sheol" ist mit Sicherheit ein
Klasse-Album geworden und vor allem technisch eine Seltenheit und wenn nicht "Vittra" gewesen wäre, könnte man
es wohl auch als Nostalgiker abfeiern wie die Hölle, aber dass sich Naglfar in eine so extrem trendorientierte
Richtung bewegen, stößt mir doch sehr sauer auf. Es klingt völlig austauschbar: die ganz eigene Note, die auf
dem Debut definiert wurde, ist völlig verschwunden. Und Klau bei anderen Bands zu betreiben sehe ich nicht als
Weiterentwicklung, sorry. Eine Scheibe, die wohl in Zukunft nebenbei vor sich hindudeln wird. Sicherlich,
"Sheol" ist auch soundtechnisch top und die Aufmachung ist genial, aber das ist auch nicht alles. Ich kann mir
vorstellen, dass Metaller, die es erst vor ein oder zwei Jahren geworden sind, den Drittling Naglfar's durchaus
als eines ihrer zukünftigen Alltime Faves ansehen werden, doch diejenigen, die gehofft haben, die Schweden 2003
wiederum auf dem Leistungs- niveau wie vor 7 Jahren anbeten zu dürfen, werden von "Sheol" wohl sehr enttäuscht
sein, wie ich es auch bin. Trotzdem ist die Platte eine durchaus gute und sticht aus der Masse der
Veröffentlichungen hervor. Nur ich finde leider keinen wirklichen Zugang zu den Tracks.
Fazit: Ein musikalisch sehr gutes Black Metal-Album, doch so enorm geistlos, dass einem die Songs wenig
übermitteln und somit auch nicht hängenbleiben. Wohl nur für die Hartheimer etwas, die mit göteborgschen
Naglfar nie etwas anfangen konnten. Schade. |
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