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Noch Fragen?
Na gut, ich will mal nicht so sein...
Mystic Circle sind mir das erste Mal im Jahre 1995 über den Weg gelaufen. Bzw. fast über den Weg gelaufen -
der Auftritt auf dem ersten Folter-Records-Open-Air fiel aus, weil die Freundinnen der Musiker nicht
anwesend waren, um den Jungs die Schminke aufzutragen. Hach, alte Gerüchte und Unwahrheiten sind immer noch
die schönsten, oder? Und doch ist derlei Unsinn ein Einstieg nach Maß, denn wenn es um MC geht, kann man
das Niveau wohl kaum tief genug ansetzen. Eigentlich ist es ein Wunder, dass die Band immer noch ihr
Unwesen treibt. Und noch wundersamer ist es, dass uns jetzt eine Best-Of-Veröffentlichung ins Haus steht.
Best Of? Richtig, einmal mehr werden wir daran erinnert, dass es ein "Bestes" auch ohne ein "Gutes" geben
kann...
"Unholy Chronicles" bietet einen Querschnitt durch zwölf Jahre musikalischer Tiefschläger. Besonders
unterhaltsam ist hierbei vor allem die thematische Beliebigkeit, die Mystic Circle über all die Jahre an
den Tag gelegt haben. Hat man sich anfangs noch an den alten Germanen vergangen, so wurden auf dem ersten
Album "Morgenröte" dem bedauernswerten Grafen Dracula die Zähne gezogen. In der Folge haben das Beelzebübchen
und seine Spießgesellen mal eben Siegfried ins "Drachenblut" gepinkelt, bevor die mystischen Zirkler dann
mit "Infernal Satanic Verses" bei einem Thema angekommen waren, das ihren Fähigkeiten offenbar besser
entspricht und dem sie deshalb bis heute treu geblieben sind: plakativer Pseudo-Kitsch-Satanismus auf
[--zensiert--]niveau, bei "Damien" zur Abwechslung mal als "Konzeptalbum" verkleidet.
Stilistisch hat man sein Fähnchen immer ebenso ungeschickt in den Wind gehalten, wie diese Zusammenstellung
eindrucksvoll (?) dokumentiert. Wurden anfangs noch etwas unbeholfen CoF verehrt (man lausche den
Gesangsvarianten und Keyboards bei "Medina (Whore Of Satan)" und "Octobermoon"), haben Mystic Circle
spätestens mit dem Verbrechen an den Nibelungen, von dem auf dieser Scheibe drei Stücke zeugen, deutlich
gemacht, wohin die Reise gehen würde. Professionelle Dimmu-Borgir-Huldigung wäre ein passender Name für
diese Phase der Bandgeschichte, mit EDT als damaligem Vorbild. Doch natürlich haben sich die Norweger mit
der Zeit etwas verändert, außerdem war Dark Funerals Zweitling gerade schwerstens angesagt, auf dem 99er
Dritt"werk" wurde also dementsprechend das Tempo etwas angezogen (natürlich ohne wirklich vom
Keyboard-Kleister Abschied zu nehmen) und Luzifer aufs Albernste angeschwärmt. "Thorns Of Lies" und "One
With The Antichrist" künden von dieser Phase. Danach verließ meine deutsche Lieblings-BM-Band mein
Lieblingslabel Last Epitaph-Episode / Black Attakk, um mit Unterstützung von Massacre Records die Welt das
Fürchten zu lehren. Mit dem üblichen Jahr bzw. einem Album Verspätung hinter dem Rest der Welt haben MC mit
dem Massacre-Debüt "The Great Beast" dem Death Metal etwas mehr Platz eingeräumt - kein Wunder: norwegischer
Neo-Death war der Verkaufsschlager der Stunde. Mit blassen und zudem durch heftigen Tasteneinsatz
verschlimmbesserten Kopien der Marke "Hate" ließ sich natürlich damals wie heute kein Blumentopf gewinnen
oder gar gegen Bands wie Myrkskog anstinken. Aber die Werbemaschine des Labels und die finanziellen
Möglichkeiten, mit "großen" Bands auf Tour gehen zu können, bringen wohl genug Kohle rein, um auch ohne
musikalische Substanz über die Runden zu kommen. Massacre scheinen jedenfalls zufrieden genug, um uns neben
zwei weiteren Alben mit immer mehr Todesmetall ("Damien" und "Open The Gates Of Hell") auch mit dieser
wunderbaren "Best Of"-CD zu beglücken. Und als Überblick über die Untaten von MC in 12 Jahren ist diese
durchaus gelungen. Was - natürlich - kein Wunder ist: wenn eine schlechte Band nur schlechte Lieder
fabriziert hat, dann ist am Ende jede beliebige Zusammenstellung repräsentativ...
Ob diese Veröffentlichnug deshalb sinnvoll ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Immerhin gibt es
neben der CD noch eine lustige DVD. Da kann man dann einen Videoclip zu "Awaken By Blood" bewundern, der
MC in einer Mischung aus Live- und Backstagematerial als "Rockstars" inszeniert. Außerdem gibt es einen
kompletten (zahnlosen und klangtechnisch wahrscheinlich stark nachbearbeiteten) Auftritt der Band vom WGT
2004, dessen eindeutiger Höhepunkt im kurz angespielten "Raining Blood"-Thema besteht, sowie diverse
livehaftige Darbietungen von 1998 bis 2004. Die Klangqualität dieser verschiedenen Aufnahmen schwankt
zwischen schlecht und superbeschissen und der Unterhaltungswert leidet sehr unter dem Mangel an alten
Aufnahmen, die Mystic Circle in voller Montur zeigen würden. Schade eigentlich. Zum Absch(l)uss gibt's dann
noch ein völlig inhaltsloses Mini-Interview mit MTV in Rumänien, dessen Sinn sich mir nicht erschließen
will. Aber wahrscheinlich geht es nur darum zu beweisen, dass man es im Lande von Dracula schon bis zu MTV
geschafft hat.
MC sind eben richtige Rockstars und tun nicht nur so. Ob man darüber nun lachen oder weinen soll, ist
sicher eine Frage des Temperaments. Was man jedoch auf keinen Fall tun sollte, ist Geld für "Unholy
Chronicles" auszugeben. Und das ist keine Frage des Temperaments sondern des gesunden Menschenverstandes. |
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