LUNAR AURORA

Zyklus (CD 2004)


Das Tor - es öffnet sich erneut.
"Zyklus" ist so wenig nur ein Black-Metal-Album, wie Lunar Aurora nur eine Black-Metal-Band sind. Dennoch, mehr Black Metal als "Zyklus", mehr Black Metal als Lunar Aurora sein zu wollen - das fällt in den Bereich der Utopie. Die mittlerweile zehnjährige Bandgeschichte ist ein einzigartiges Zeugnis von klanggewordener, düsterer Realität; das schiere Durchdrungensein einer Band von einer Idee, einer Weltensicht, einem ehrlichen Konzept. "Zyklus" ist die bisherige Krönung eines ausgedehnten Schaffens, das sich mittlerweile auf zwei Demos, sechs Alben und eine Handvoll Einzelbeiträge auf Split-Veröffentlichungen und Sampler erstreckt. So viel Essenz hat in nur zehn Jahren der Existenz keine mir bekannte Band geschaffen. 
Die große Besonderheit besteht bei diesem Album nicht mehr nur allein in der Tatsache, dass es ein hochemotional gespieltes, unbeschreiblich dichtes, tiefgehendes und berührendes Werk ist - selbst das schafft kaum eine vergleichbare Band, bei Lunar Aurora ist es fast Usus - sondern in der einzigartigen Leistung, einerseits eine Brücke zu schlagen von der ersten Veröffentlichung zur neuen Zeit und es andererseits fertigzubringen, das Beste und Reinste aller vorigen Alben in diesem zu vereinen. "Zyklus" kombiniert die ungestüme Eingängigkeit und Jugend von "Weltengänger" und seinen Demo-Vorgängern mit der Eiseskälte des "Seelenfeuer"s, dem grimmigen, urigen "Of Stargates And Bloodstained Celestial Spheres", der schwarzen, chaotischen Bitterkeit der "Ars Moriendi" und der Variabilität, Melancholie und Verschleierung auf "Elixir Of Sorrow". Auf dem Papier liest sich das alles bereits sehr entrückend, aber es ist viel mehr als das.
Wer "Zyklus" nicht nur gehört, sondern tief in sich empfunden und gelebt hat, der wird festgestellt haben, dass diese CD jedes Mal von Neuem einen kleinen Tod beschert. Einen kleinen Tod in der bitteren realen Welt des Großen Todes, der uns alle umgibt. Wer "Ars Moriendi", die Kunst der Sterbens, aufmerksam studiert hat wird eine Ahnung davon haben, was das meint: alles und jeder stirbt zu jeder Stunde, die ewige süße Qual des Niedergangs erfüllt sich in der Stunde des Todes, die zugleich der Moment der Wiedergeburt ist. Der Tod als treibende Kraft des Lebens und Werdens, der hinter allem steht. Oder: "Und in der Stille / Stund um Stund / treibt die Schreckenshand / das Räderwerk voran...", wie es im zweiten Stück "Der Tag" heißt. Jeder Versuch einer rationalen Analyse dieser Musik scheitert schon im Ansatz, hier innerhalb dieser Dreiviertelstunde, die so rein transzendental und ehrlich und darum so unfassbar düster ist. Hier kann man nur hinhören und mitsterben, jeden "Morgen" (Titel 1), jeden "Tag" (Titel 2), jeden "Abend" (Titel 3) und jede "Nacht" (Titel 4), um am Ende Zeuge seiner eigenen Wiedergeburt zu werden, gereinigt, geläutert und hoffnungslos. Wo "Die Nacht" nach einer knappen Viertelstunde in ruhigen, ambienten Tönen ausklingt und von der völligen Erstarrung jeglichen Lebens erzählt, wagen es Lunar Aurora, noch einmal mit einem letzten verzweifelten Ausbruch von vorne zu beginnen, um kurz darauf der Leere und dem "Zyklus" das Zepter zu überlassen, hinter ihr eigenes Schaffen zurückzutreten. Das Drama des Sterbens beginnt erneut.
Wer nun vermutet, die Stimmungen der vier einzelnen Stücke würden, korrespondierend mit ihren Titeln, in irgendeiner Art und Weise variieren, der irrt. Die ganze Dreiviertelstunde ist ein einziger Niedergang, der von keinem Licht, sondern höchstens von einer kurzen, seichten Aufhellung der totalen Schwärze unterbrochen wird. Von Lunar Aurora in ihre Stücke eingeflochten klingen sogar Vogelstimmen und Fliegenschwärme wie der blanke Horror; von den wieder dominanteren, röhrenden Gitarren und vor allem den diesmal alle Beschreibungskriterien sprengenden Synthesizerklangfarben wollen wir erst gar nicht reden. Außergewöhnlich gut gelungen ist auch wieder der Klang des Schlagzeugs, das gekonnt den schmalen Grat zwischen Druck und Hintergründigkeit wandelt und den Stücken ihr Tempo gibt, das fast unmerklich zwischen unterem Midtempo und schierer Raserei variiert. Wer an dieser Stelle mehr Beschreibungen der rein klanglichen Seite dieses Album erwartet hat, den muss ich leider enttäuschen. Da gibt es nichts zu beschreiben, nur zu erleben. Lunar Aurora klingen wie Lunar Aurora, diese Erfahrung muss jeder, der noch nichts von dieser Band gehört hat, selber machen.
Mir ist sehr sympathisch (wenn man in diesem Kontext von Sympathie reden kann), dass alle Musiker hier einem Zweck dienen und sich jeder nach Kräften eingebracht hat. Hier ist nicht mehr wichtig, wer welches Instrument gespielt hat, was wann und wo aufgenommen wurde, sondern einzig und allein, dass das Ergebnis wird, was es werden muss. Drei verschiedene Sänger, zwei Gitarristen, ein Drummer, der gleichzeitig Gitarrist und Sänger ist und ein Keyboarder, der Bass spielt - wo gibt es das sonst? Das Ergebnis klingt wie aus einem Guss. Lunar Aurora sind, darauf lege ich mich endgültig fest, natürlich mehr als eine Hoffnung und mehr als ein Teil einer konstruierten "Speerspitze" deutschen Black Metals. Sie stehen völlig außen vor, sie nehmen an nichts Teil außer sich selbst und ihrer Musik. Eine Band, die immer gleich und jedes Mal anders klingt, weil sie aus dem Vollen der ehrlichen Empfindung schöpft. Wer mit Musik, die über sich selbst hinausweist, nichts anfangen kann, wer auf sogenannten Black Metal steht, der nach vorgefertigten Rezepten gebacken wurde, wer nur auf das Laute und aufgesetzt Böse in dieser Musik abzielt, wer diese Rezension nicht versteht - der möge bitte einen weiten Bogen um dieses Album machen, das übrigens diesmal endlich auch mit einem komplett fantastischen Artwork ausgestattet wurde.
Leise fällt Schnee auf endlose Totenäcker / und mit ihm legt Stille sich nun / auch über die Gefallenen der Nacht.

10/10

Official Website

 

alboin
20.11.2004

 

:: English version ::

The gate - it opens again. 
"Zyklus" is not only a Black Metal album as Lunar Aurora is not only a Black Metal band. The desire of being more Black Metal than "Zyklus", more Black Metal than Lunar Aurora comes to the limits of utopia. Meanwhile the ten years of the band's history is a unique testimonial of a sinister reality turned into music; the sheer possession of the band's idea, a Weltanschauung, a true concept. "Zyklus" is the present coronation of a vast producing which spreads over two demos, six albums, and a bunch of split records and samplers. I don't know any other band which created as much essence in only ten years of existance. 
The album's distinctive feature consists not only of the fact that it is played highly emotional, indescribable dense, deep going and being a touching opus - every other compareable band would never succeed in this. Lunar Aurora made it their usus - but of the unique benefit of being capable to bridge between the connection of their first and last album, on the one hand and on the other hand to unite only the best and purest of all previous releases in only one record. "Zyklus" combines the hasty catching elements and juvenile of "Weltengänger" and its demo-precursors, with the iciness of "Seelenfeuer", together with the grimmess and purity of "Of Stargates And Bloodstained Celestial Spheres", and furthermore the black and chaotic bitterness of "Ars Moriendi" finally with the variability, melancholy and camouflage presented on "Elixir Of Sorrow". This sounds very confusing on the paper but it is by far more than this. 
Everyone who not only listened to "Zyklus" but also felt and lived it will assert that this CD causes a little death every time you put it in you CD player. A little death in the bitter real world of the great death who surrounds everyone of us. Someone who intently studied "Ars Moriendi", the art of dying, will have a hunch of what this should mean: everything and everyone dies, at any given time, the eternal sweet agony of downfall is fullfilled in the hour of death which is together the moment of palingenesis. The death as the driving force of life and becoming who stands behind everything. Or: "Und in der Stille / Stund um Stund / treibt die Schreckenshand / das Räderwerk voran..." (And in silence / hour for hour / the hand of fright drives / the weelwork forth...), as it says in the second track "Der Tag" (the day). Every attempt of a rational analysis fails with first approach, within these 45 minutes which are so transcendental and honest and thus are so inapprehensible sinister. You can only listen and die, every "Morgen" (track 1), every "Tag" (track 2), every "Abend" (track 3) and every "Nacht" (track 4), (every "morning", every "day", every "eve" and every "night") to be witness of your own rebirth in the end. Purified, refined und hopeless. When "Die Nacht" fades with ambient tones after 15 minutes and tells about complete torpor of any kind of life, Lunar Aurora dare to start once again with a last desperate burst to finally end in emptiness to abandon the sceptre to "Zyklus", to step back behind their own creation. The drama of dying starts anew. 
Who now assumes that the mood of these four tracks - corresponding to their titles - would vary in any kind is mistaken. The whole 45 minutes are a full downfall not interrupted by light but at most by some flares of this total darkness. Even the sound of birds and swarms of flys sound like pure horror - not to mention the, again more dominating and crackling, guitars besides the indescribable timbre of the synthesizer. The sound of the drums is again remarkably well done, which walks the line between full pressure and being in the background, in a more than impressive way. It imparts the tracks' tempo shifting from lower midtempo to pure rage. Who now expects any further details about the sound of this album will be disappointed because you simply cannot describe it. There is nothing to describe - only to experience. Lunar Aurora sound like Lunar Aurora, everyone who has never heard about this band simply has to find out on his own. 
It's likeable to me (if you can talk about smypathy within this context) that all musicians suit one purpose with all their forces. It's not important who played which instrument nor what, where and when it was recorded, but solely the result grew to what it has to grow. Three different singers, two guitarists, one drummer who plays guitar and does the vocals at the same time, and one keyboarded playing bass - where to find something like this elsewhere? The result sounds like made of a piece. Lunar Aurora are, and that is very important for me, of course more than just a aspiration and more than only a part of a constructed "spearhead" of german Black Metal. They are absolutely standing apart, they don't take part in anything but themselves and their music. A band that sounds always like the same but totally different too, because they create from the whole and honest emotions. Everyone who refuses music standing on its own, who likes so called Black Metal made of precast structures, who tends to the attached and loud evil within this kind of music, who doesn't understand what this review should mean - please avoid this album. By the way this record is finally equipped with a great artwork. 
Leise fällt Schnee auf endlose Totenäcker / und mit ihm legt Stille sich nun / auch über die Gefallenen der Nacht. Silently the snow falls on endless cemeteries / and with it silence lies / above the victims of the night.

Translated by dante

Redaktionsbewertung:
azaghal 10 Amicus 10
Laeknishendr 10 alboin 10
Erik 10 Wolfsgrimm 8,5
sic - Vandrar 10
Argathon - Herr B. 10
Gesamtdurchschnitt: 9,8