LUNAR AURORA

Mond (CD/LP 2005)


:: Review I ::

Vielleicht bin ich der Falsche für das neue Lunar Aurora-Album. Oder Lunar Aurora haben mit dem siebten das erste Album aufgenommen, das nicht für mich gedacht ist. Irgendwas stimmt jedenfalls nicht. Das Gefühl ist nicht dasselbe wie das, was es immer war. "Mond" klingt nicht so alt wie die ersten beiden Alben, nicht so scheppernd-bösartig wie "Ars Moriendi" und auch nicht so verbittert wie "Elixir Of Sorrow" oder so spirituell wie "Zyklus". Am ehesten würde ich die Platte noch mit "Of Stargates And Bloodstained Celestial Spheres" vergleichen, das in der Geschichte der Band am weitesten aus dem Rahmen fiel. Ich leide nicht mit, ich fühle wenig, ich staune kaum, ich bin eigentlich nicht restlos begeistert, fast befremdet.
Bei "Mond" trägt die Produktion einen Großteil zur Befremdung bei. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich bei Lunar Aurora je so thrashige, wuchtige Gitarren, ein so steriles Schlagzeug und oft so fantasielos platzierte Synthesizer gehört habe. Ob die Entscheidung, das Album in den Münchener Helion-Studios mit so viel Druck und so viel Transparenz zu produzieren die richtige war? Ich wage es zu bezweifeln, denn was ich an dieser Ausnahmeband immer mochte, war auch ihr sehr eigener, nebliger und morbider Sound, der ein wirklich gutes Stück Musik schnell zur Perfektion bringen kann. Hier aber hört man alles, die Instrumente sind sehr ausgewogen, das Drumming überaus straight und technisch, die Gitarren drückend und mächtig, der Gesang sehr verständlich und vorder-, dafür der Synthesizer nicht selten recht hintergründig oder nicht gerade perfekt eingesetzt. Vielleicht führt diese Durchsichtigkeit bei mir zu weniger Vorstellungskraft, mir kommen die sechs Stücke jedoch simpler vor. Nicht an einer Stelle habe ich Melodiestränge gehört, die gar nicht da waren, wenig des Materials regt meine Fantasie so an, wie es beispielsweise "Zyklus" getan hat.
Dennoch, wir haben es immer noch mit Lunar Aurora zu tun, einer Band, die so viel Fantastisches veröffentlicht hat, dass man ihr Veränderungen einfach zugestehen muss - auch auf die Gefahr hin, dass man lange braucht, um sich damit abzufinden und anzufreunden. Auf einem Album von einer Dreiviertelstunde muss nicht jede Sekunde unschlagbar sein, auch wenn das natürlich wünschenswert ist. Das ist in Ordnung, dafür gibt es bei mir aber auch, anders als bei vielen anderen, Punkte für die gezeigte Leistung und nicht für die Bandgeschichte, als Kredit oder aus Prinzip. Mit "Mond" wird man vielleicht nicht sofort warm, aber das Album dankt einem das Durchhaltevermögen immerhin doch mit Black Metal, der immer noch düsterer, einfallsreicher und identitätsreicher ist, als der allergrößte Teil der deutschen Kollegen in ihren kühnsten Wunschträumen. Vielleicht wollten Lunar Aurora beweisen, dass man ihre Musik auch mächtig produziert genießen kann, dass der Underground-Wahn auch seine Grenzen haben sollte. Sollte das so sein, muss ich widersprechen: das stimmt nur bedingt, denn Atmosphäre entsteht immer noch im wesentlichen aus Vorstellungskraft und einzigartiger Spielweise heraus. Das eine oder andere Stück auf "Mond" lässt für eigene Vorstellungen wenig Platz oder unterbindet ein gutes Stück Eigenständigkeit. "Rastlos" ist mir zu straight, zu gitarrenlastig, "Welk" ein wenig zu standardisiert und der Beginn von "Grimm" mit seinem bangkompatiblen Riffing sogar fast enttäuschend. Dafür sind "Aufgewacht", "Schwarze Winde" und der überaus brillante zweite und vor allem der Schlussteil von "Grimm" doch wieder Paradebeispiele für Lunar Aurora, wie man sie kennt. Wenn das nächste Album da anfängt, wo "Grimm" aufhört (und darauf deutet wohl einiges hin), dann habe ich nichts gesagt. Falls nicht ist das auch in Ordnung, dann werde ich kommenden Veröffentlichungen zwar mit weniger Enthusiasmus und Leidenschaft, aber dennoch mit Respekt und Verständnis begegnen. Ein Verhalten, das übrigens öfter angebracht ist, als man denkt.

8/10

Official Website

 

alboin
02.09.2005

:: Review II ::    Erschienen bei:  www. blooddawn.de

Nach langen Jahren als Gegenstand der Bewunderung und des Respekts einer zwar sehr treuen, aber auch eher kleinen Schar von Anhängern ist es LUNAR AURORA mit "Elixir of Sorrow" und "Zyklus" gelungen, in das Bewusstsein einer weiteren Hörerschaft vorzudringen. Und da ein klitzekleines bisschen Erfolg für eine von diversen Widerständen gestählte Band wohl einfach zu trivial ist, hat man sich im Lager der Bayern entschieden, der Meute einen Brocken vorzuwerfen, an welchem diese kräftig zu knabbern haben wird. Oder vielleicht war es die Band auch einfach leid, ihre Musik mit Minderjährigen zu teilen, für die Rauschen Ziel und Inhalt allen Schwarzmetalls ist. 
Die Motivation der Musiker wird an dieser Stelle Spekulation bleiben müssen. Was wir jedoch haben, ist "Mond", das mittlerweile siebte Album unter dem LUNAR-AURORA-Banner. Und die mit Abstand brutalste Aufnahme, die Aran, Whyrhd und Co. jemals auf die Menschheit losgelassen haben. Das mag beim ersten Durchlauf gewöhnungsbedürftig sein, und vor allem von der Rauschen=Atmosphäre-Fraktion wird sich DAS deutsche BM-Aushängeschild einen Verlust an Stimmung und Persönlichkeit vorwerfen lassen müssen. 
Doch in meinen Ohren hat derlei Gemäkel wenig bis gar keine Substanz. Sicher: "Mond" ist wesentlich aggressiver als alle anderen L.A.-Alben ausgefallen. Auch wahr: "Mond" ist gerade im Vergleich zu früheren Werken wirklich kräftig produziert. Aber: "Mond" trägt trotzdem eindeutig die Handschrift der nach Stoiber grimmigsten Bayern. Und mehr noch: Ich kann beim besten Willen nicht den geringsten Hauch von Identitätsverlust oder Anbiederung feststellen. Im Gegenteil, LUNAR AURORA scheinen sich nicht sonderlich um die Erwartungen ihrer "Stammhörer" zu kümmern - und neue Käuferschichten wird man sich mit diesem Album kaum erschließen können.
Denn unterm Strich ist "Mond" 100% LUNAR AURORA, lediglich erweitert um eine ordentliche Portion Angriffslust und durch die Produktion schärfer definiert. Alles, was die Band seit gut zehn Jahren so interessant macht, ist immer noch vorhanden. So begeistert auch "Mond" wieder mit dieser typisch unterschwelligen Melancholie, die leider viel zu wenige Formationen zu vermitteln wissen. Genannt seien an dieser Stelle bloß die erhabenen gemäßigten Abschnitte von "Aufgewacht", die nur taube Ignoranten unberührt lassen können. Und wer sonst hat diese irrlichternden Keyboards zu bieten? Wer hat diese ganz eigene Art, schwebende, jenseitige Melodien in das Gewebe seiner Stücke zu flechten? Nichts davon haben L.A. verlernt, aber durch den leichten Stilwechsel bieten sich darüber hinaus ganz neue Möglichkeiten des Ausdrucks. Hätte "Heimkehr" in der Vergangenheit so unwiderstehlich geklungen, ja überhaupt klingen können? Wäre ein so mächtiges Album ohne eine leichte Kurskorrektur möglich gewesen?
"Mond" zeigt LUNAR AURORA als Band, die am Bewahren des Status Quo offensichtlich keine Freude hat. Und - zumindest für meinen Geschmack - als Gruppe, die auf der endlosen Suche nach sich selbst immer neue, interessante Facetten findet und mit Leben erfüllt. Natürlich ist es einfach, der Vergangenheit hinterherzutrauern. Ich für meinen Teil ziehe es aber vor, die Gegenwart zu genießen und mich auf eine Zukunft zu freuen, die hoffentlich noch viele ähnlich aufregende L.A.-Alben wie "Mond" mit sich bringt.

10/10

Official Website

Erik
31.08.2005


Redaktionsbewertung:
azaghal 10 odium -
Laeknishendr 9 Wolfsgrimm 9
Erik 10 Ewigkeiten 10
sic - alboin 8
IT 7 Vandrar 8
Argathon - Herr B. 8
Amicus 9
Gesamtdurchschnitt: 8,8