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Alben mit Hand und Fuß gehen sprichwörtlich und, wie nicht anders zu erwarten, gut ins Ohr. Sämtlicher Extremitäten
trächtig ist "Epoptia", das anno '04 wiederveröffentlichte Zweiteisen der Griechen von Kawir. Das Rerelease wurde
gütigerweise um 2 Bonustracks bzw. die beiden Stücke der zurückliegenden Splits mit Nocternity und Zemial
bereichert, was die digitalisierte Interessengruppe natürlich glücklich stimmen sollte.
Abgesehen davon wissen die Südeuropäer erhoffterweise zu gefallen. Führt man sich "Epoptia" zu Gemüte, scheint
sich die Zeit um ca. eine Dekade zurück zu drehen, denn urig, eigen und unmodern ergießt sich's aus heimischer
Anlage. Mit gutem, teils höhenlastigem Sound versehen, bedient man sich eines geschickt arrangierten
Saiten-Tasten-Konkurrenzkampfes und hinterlässt keine begeisterten, aber wohlig nostalgierte Ohren. Entgegen der
Befürchtung, fetttriefende Speckschwarten würden sich über ein sonst ansehnliches Instrumentalgerüst reiben, muss
man sich eingestehen, dass eine kecke Ausweichmöglichkeit gefunden wurde, um weder schmierig noch übertrue
daherzutönen. Faktum ist: Entweder beherrschen die Klampfen das Geschehen, was hauptsächlich der Fall ist, oder
die Klimpermaschinerie drückt sich penetrant, aber nützlich auf's restliche Gemenge. Und das erzeugt sogar eine
verhältnismäßig eigenständige Atmosphäre, geprägt von okkulter, sogar subtiler Grazie. Sollten beide
Blutsbrüder/-feinde dennoch gemeinsam und exakt aufeinander abgestimmt regieren, entstehen mitreißende Stücke wie
zum Beispiel "Korivantes" oder "Gaia".
Was die kompositorische Treffsicherheit an sich betrifft, langte man zwar, gemäß dem Spruch "No risk, no fun",
tief in die große Lostrommel, zog jedoch kaum Nieten. Kurz: Dramatische Verknüpfungen findet man ebenso wie
bewegende und fiese Melodien, sodass für ein kultig-wohliges Posieren vor Kerzen und Kreuzen genug emotionaler
Zündstoff geboten wird. Denn, wie gehabt, stilistisch schwimmt man hier in Teichen, die Anfang bis Mitte der '90er
angelegt wurden. Selbst die beiden zusätzlichen Stücke fügen sich mit ihren kaum bis gar nicht merklichen
Differenzen zum Grundstock hervorragend in das Gesamtwerk ein. Und wenn der Vergleich auch weit hergeholt sein mag,
mich erinnert "Epoptia" irgendwie an Necromass' fantastisches Debüt "Mysteria Mystica Zothiriana".
Einzig der Gesang scheint mir etwas die Made im Apfel zu sein. Gezwungen, gepresst und irgendwie kraftlos wirkt
das Gekrächz, das die ansonsten durchweg überzeugende Melange etwas trübt. Versprochen sei jedoch allemal, dass
ursprünglicher, teils gediegener, teils grimmiger Black Metal, der trotz seiner teils symphonischen, teils
romantischen Ader immer noch Melo- und nicht Pedo-BM ist, geboten wird. Kawir beweisen fernab aller professionellen
Verbrechen aller Chartsanwärter, dass dieses Genre auch ganz locker kitschfrei agieren kann. |
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