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Eine Split-Scheibe der besonderen Art liegt hier vor: Nicht nur, dass die beiden darauf musizierenden
Kapellen aus einem für Black Metaller eher unbekannten Land namens Estland stammen, sie mischen zudem einige
Musikrichtungen miteinander, welche "Black Ambient Metal" mit teils eingestreuten Industrial-Einlagen
ergeben. Ob es ihnen gelingt, die verwöhnten Ohren eines BMlers mit solch ungewöhnlichen Mitteln zum Staunen
zu bringen, bekommt ihr im späteren Verlauf zu lesen. Doch zunächst befasst sich der Rezensent mit der
Aufmachung dieser Zusammenlegung zweier Truppen: Das schwarz-weiß-gehaltene Booklet kommt mit Bandfotos, den
schwierig zu lesenden Texten (hätte nicht gedacht, dass Estisch so viele optische Ähnlichkeiten mit der
Sprache der Finnen teilt), Informationen zur Produktion, sowie den üblichen Grüßen an die besten Freunde,
Verwandte et cetera; den ersten positiven Eindruck haben sie also schon bei mir hinterlassen können.
Mit selbigem wird nun der Silberling in die Anlage geschoben, wobei die ersten Sekunden von Kalm's erstem
Beitrag eher verwundern: Süßliche Synthie-Spielereien, die mit Keyboard-Geklimper eine Symbiose eingehen,
passen nicht so recht zu meinem vorschnellen guten Eindruck, obwohl diese mich nicht verbittert
zusammenzucken lassen. Zum Glück währt dieser Zustand nicht lange, da man nach circa einer halben Minute
weiß, warum die beiden Esten-Bomber hier im Index vertreten sind: Raue Gitarren, keifende Vocals, ein -Wotan
sei Dank- variierender Drum-Computer, der dem Trommelfell nicht weh tut. Dieser Trend setzt sich auch bei
Assamalla fort: rockende Akkorde, ein klein wenig nervendes Stimmorgan, sowie ein stets vorhandener
Elektropianoteppich, der sich aktiv am Geschehen beteiligt, ohne jedoch zu nerven. Wie das funktioniert? Die
Atmosphäre bzw. der Songaufbau ermöglichen es dem Stromklavier, diese bei vielen weitaus berühmteren Bands
nicht funktionierende Zusammensetzung hörenswert zu gestalten, sprich die Chemie zwischen den einzelnen
Mitgliedern stimmt.
Meistens um die sechs Minuten lang strotzen sowohl die Lieder von Kalm, als auch die von Assamalla vor
Abwechslung: Auf schnelle Stakkato-Attacken folgen entweder Midtempo-Einschübe, gemächliche Bridges oder
doomige Industrial-Parts, welche nur sehr kurz währen und meistens von mittelschnellen Passagen abgelöst
werden. Manchmal überraschen die Esten mit wirklich Unerwartetem: Eine Melodie, die auf jedem x-beliebigen
Nu-Metal-Album gespielt werden könnte oder kurzzeitige Kreischanfälle eines Dani Filth, die indes bei weitem
erträglicher aus den Kopfhörern lärmen, finden auf Kalm's "Ärgates Unenäost" ihren durchaus berechtigten
Platz. Erzählungen eines alten Mannes, ein schier nicht enden wollendes Gitarrensolo, sowie
Synthesizer-Tonfolgen ergeben auf Assamalla's längstem Beitrag mit dem (Un-)Namen "...Kes Lahkunud Üksteise
Südameist" eine genial klingende Hymne. Weitere klassenlose Beispiele zu nennen würde den Rahmen eines
normalen Reviews bei weitem sprengen. Am Ende sitzt der Rezensent mit einer aufgeklappten Kinnlade da und
fragt sich, ob das wirklich schon aller Tage Abend war.
Um noch kurz ein paar Worte zur Produktion zu verlieren: Bombiger geht's nimmer mehr. Zwar fällt die Qualität
des Elektroklampfensounds bei sämtlichen Kalm-Beiträgen ab, das allgemeine Klangbild allerdings schadet
beziehungsweise nimmt den Kompositionen keineswegs ihre vorhandene Kraft weg.
Fazit: Einer der wenigen Gemeinschaftstonträger, die beweisen, dass auch in kleinen Ländern große Acts ihre
ausgezeichnete Arbeit verrichten. Für solch eine Ideenvielfalt schicke ich acht fette Zähler ins Baltikum! |
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