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Helrunar sind anders als die anderen. Sie lassen reifen, was einmal gut werden soll und schmeißen nicht
blindlings alles Aufgenommene in die große, weite Welt hinaus. Die Tatsache, dass erst stramme zwei Jahre nach
Bandgründung "Grátr", ein basischer Knochenbrecher seines Gebietes, erschien, zeugt von Verantwortungsbewusstsein
sowie der seltenen Fähigkeit, mitunter Halbgares in seinem letzten gehörten Zustand dem Aktenvernichter zu
übergeben.
"Frostnacht", nach der gelungenen Split-Einlage mit Nachtmahr, hakt dort ein, wo der erste Longplayer sein Ende
in kompositorischer wie klanglicher Hinsicht fand. Fast schon wohltuend hebt sich das lyrische Repertoire von
hastig zusammengewürfelten Zwangsreimattacken ab, auch allgemeine Hetze gegen Dogmen oder suizidale
Durchschnittskost bleibt einem zum Glück erspart. Stattdessen erzählt Skald Draugir von "extrem schmerzhaften
Erfahrungen und was diese mit Menschen machen". So wird einem unter anderen beigebracht, dass "Fleisch ein
undankbares Material ist, bis die Seele gefriert". Ummantelt werden seine teils isländischen Texte von
ansprechend rohen, wenn auch ungleich druckvolleren Klanggewänden als noch vor zwei Jahren. Im selben Zug
kamen die akustischen Elemente ein weiteres Mal zu ihrem verdienten Einsatz. Den Hamburgern von Hagal ähnelnd,
weiß die hiesige Gitarrenfront, Nachdenkliches wie teilweise äußerst Schwermütiges aus den Instrumenten
rauszuholen. Bestes Beispiel "Neun Nächte": Wo andere mit den hier verewigten Arrangements ganze Platten
separat verschönern, scheuen Helrunar nicht davor zurück, ganze Stücke dergleichen niederzuschreiben - dafür
gebührt ihnen mein voller Respekt. Das Trio naturale macht jedoch vor allem im Bereich Overdubs eine Menge
Punkte gut: "Der Trank des Gehängten" beginnt vielversprechend, steigert sich kontinuierlich im Riff-Bereich.
Wenn dann aber die eisigen Läufe die Intensität der vorgegebenen Melodien bis ins Unendliche verstärken, gibt
es kein Halten mehr. Genau so soll Huldigung an alte Zeiten klingen! Im selben Maße euphorisch bedenke ich das
Geschick, die richtige Balance zwischen konzentrationsfördernden Szenenwechseln und einer gewissen
Rote-Faden-Charakteristik gefunden zu haben. Sämtliche Stücke klingen wie aus einem Guss, fügen sich nahtlos
ineinander, ergeben ein Gesamtkunstwerk. Ich wünschte, derartige Volltreffer würden
frequentierter meine Hörgänge
betäuben.
"Nichts ist vergessen. Nichts ist jemals vergessen.", fasst der Cheflyriker das Album zusammen. So soll das
vorliegende Werk zumindest die nächste Zeit über verstärkten Zugang in schwarzmetallische Haushalte finden. |
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