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Ein Werk im Zeichen der Abschiedstrauer, der Kritik und des Glaubens. Das liest sich auf den ersten Blick nicht
wie die Beschreibung eines Black-Metal-Albums, erst recht nicht des ersten von Graupel, einem der harschesten und
rohsten Debüts der letzten Jahre, wie ich behaupte. Hinter einer Mauer aus unendlich verhallten Gitarren, rasender,
aber kaum identifizierbarer Schlagzeugwut und recht einförmigem Geschrei verbergen sich zwei Eigenschaften dieser
Band, die man heute selten genug findet: subtiler kompositorischer Tiefsinn und ein ganzer Wust gut reflektierter
Gedanken des Texters Zingultus.
Zum einen ist auffällig, wie stilsicher die zehn Stücke runtergeholzt werden: die Riffs klingen dissonant, oft
sogar ein wenig eintönig und durchaus wiedererkennbar und eigenständig, trotzdem wohl überlegt und vielschichtig.
Trotz vieler Überlegungen ist mir kein passender Vergleich eingefallen - hätten Immortal auf "Diabolical Fullmoon
Mysticism" einen Sound wie Beherit auf "The Oath Of Black Blood" gehabt, würde ich diese Parallele vielleicht ziehen.
Auch das passt aber nicht wirklich, denn der Gitarrensound ist einzigartig und klingt wie durch einen
60er-Jahre-Amp gejagt und mit einem kaputten Mikro abgenommen, das Schlagzeug direkt wie aus dem Proberaum und der
Gesang wie am Stück direkt ausgekotzt. Ein wenig fühle ich mich wegen der diffusen Undurchdringlichkeit der
Produktion an Ulvers "Nattens Madrigal" erinnert, auch wenn Graupel den tieferen Frequenzen mehr Aufmerksamkeit
geschenkt haben. Zum anderen sind die verschlüsselten deutschen Texte alles andere als alltäglich, weil Zingultus
größtenteils auf Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Lyrik verzichtet hat, genauso auf altbekannte Metaphorik und
glücklicherweise auch auf jedes satanische, depressive oder heidnische Klischee, das man sonst an jeder Gießkanne
findet. Der größte Teil der Texte atmet eine wütende Traurigkeit, Enttäuschung und Unverständnis, aber auch Hingabe,
Stolz, tiefen Glauben und Kampfkraft, die für Zingultus vermutlich ein Mittel gewesen sind, mit dem Tod seines
Sohnes vor einem Jahr umzugehen. Diesem hat er den Dreh- und Angelpunkt des Albums, das 10-minütige "Requies Filii"
gewidmet, einen ungewöhnlich offenherzigen Seelenstrip und zugleich das einzige Stück, in dem getragene Passagen
eine Schlüsselrolle spielen. Viele werden sich fragen "was geht mich die Familiengeschichte dieses Mannes an?".
Sehr viel, denn Zingultus hat den persönlichen Schmerz auf eine allgemeinere Ebene erhoben, auf der durchaus jeder
von uns sich und ein Mittel dazu finden wird, mit Verlusten umzugehen. Ich rechne ihm das hoch an.
Es gibt auf "Auf alten Wegen..." kein Stück als überragend hervorzuheben, das 50-minütige Album ist ein
Musterbeispiel an Homogenität und sympathischer Schlichtheit. Viele reden darüber, sie seien die Reinkarnation des
Black Metals der ersten 90er-Jahre, aber keiner ist es. Graupel reden nicht, sie tun es einfach und kommen diesem
Ziel damit näher als die meisten Großmäuler, denen ihr Kultstatus wichtiger ist als ihr eigener Stolz. Graupel
sind bescheiden, leise, unspektakulär. Das ist ihre Stärke, düsterer, auf das Wesentliche reduzierter Black Metal,
spielerisch einwandfrei und sehr emotional und ehrlich. "Prinzipien, Traditionen, Nostalgie" prangt auf dem
CD-Druck. Dazwischen bewegt sich "Auf alten Wegen...", bei dem schon der Titel selbst Programm ist, tatsächlich.
Ich mag es, wenn jemand sich einschätzen kann. |
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:: English version ::
An act of farewell mourning, of criticism and belief. At first this doesn't sound like a description of a black
metal album especially not of Graupel's first full lenght release, in my opinion one of the harshest and rawest
debuts in the past years. Behind a wall of endless reverbed guitars, raging drums and quite onesided vocals
there hide two characteristics of this band which are almost hard to find in other bands nowadays: subtile
compositoric profoundness and a huge load of Zingultus' reflected thoughts.
On the one hand you recognize the noticeable style of how Graupel perform these songs: The riffs sound dissonant,
sometimes a little bit monotonous but are able of being recalled, but for all that the songs still are well
considered and complex. Despite hard thinking I was not able to come up with an accurate comparison - if Immortal
would have played a sound like Beherit's "The Oath Of Black Blood" on their record "Diabolic Fullmoon Mysticism" -
I maybe would take this as the best comparison but it wouldn't fit at all, because of the unique guitar sounding
like recorded directly through an amp from the sixties, the drums sounding like straight from their rehearsal
room and the vocals just like vomited. Even though Graupel payed more attention to the lower base ranges the
record remembers me a little bit of Ulvers' "Nattens Madrigal" because of the productions diffuse impenetrability.
The cryptic lyrics are anything but ordinary because Zingultus abandoned the usual "rhyme or I'll eat you" way,
and also the well known metaphorics and fortunately the satanic, depressive and heathen clichés too which are
nowadays found within every newer release. The majority of the lyrics in the figurative sense breathes angry
sadness, frustration and lack of understanding, as well as devotion, pride, deep belief and fighting strength -
probably a way for Zingultus to handle the loss of his son one year ago. The records linchpin "Requies Filii" is
dedicated to his son, an unusual open hearted emotional strip. Many will ask "why the hell should I deal with
Zingultus family history". A lot!, because Zingultus put his pain to a universal level where by all means
everyone can find himself and a way to deal with losses. I for my part give him a lot of credit for that.
On "Auf alten Wegen..." there is no special song to mention as outstanding. The album with 50 minutes playing
time is an exemplar of homogenity and simple frugality. Many people talk about
being a reincarnation of Black Metal of the early 90ies but no one can be that. Graupel don't talk, they just play and by doing so they
get closer to this target than any other of those loudmouthes who pay more attention to their cult-status than
their own pride. Graupel are humble, gentle and unspectacular. That's their strength, gloomy Black metal reduced
to the main principles, properly played, very emotional and honest. "Prinzipien, Traditionen, Nostalgie"
("Principles, Traditions, Nostalgia") it says on the CD print. "Auf alten Wegen..." indeed moves between these
lines. I like it if someone knows how to evaluate himself.
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