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Es gibt - grob betrachtet - zwei Sorten junger Bands. Da sind erstens pubertierende Rotzlöffel, die unbedingt
ihre ersten, unbeholfenen Schritte veröffentlichen müssen. Zugegeben, selbst diese Spezies bringt gelegentlich
Formationen hervor, die sich im Laufe der Zeit aus dem Bodensatz emporarbeiten können. Viel weniger peinlich ist
es jedoch, wenn eine Gruppe im Verborgenen an sich feilt, um dann umso gewaltiger zuzuschlagen. Aus der jüngeren
Vergangenheit fallen mir da zuerst Helrunar ein: als Band eher jung, doch die Musiker und ihre Ideen den
Kinderschuhen längst entwachsen.
Geïst sind das neueste Mitglied in diesem Klub, in dem sich Frische und Tatendrang des Aufbruchs so vorteilhaft
mit gereiften musikalischen Fähigkeiten verbinden. Ihre erste ausführliche Visitenkarte trägt den Namen "Patina"
und beweist, dass Geduld sich letztendlich auszahlt. Mit den bereits erwähnten Helrunar verbindet
Geïst jenseits
aller Unterschiede die generelle Herangehensweise: man muss seine Einflüsse nicht verstecken, sondern kann im
Gegenteil ganz selbstbewusst zu ihnen stehen. Und zwar einfach deshalb, weil man mehr als genug Individualismus,
Charakter und Ideen mitbringt, um etwas Eigenes entstehen zu lassen - ohne seine Wurzeln verleugnen zu
müssen.
Im Falle Geïsts liegen diese Ursprünge im hohen Norden, grob gesagt im BM der "zweiten Welle", wie er Anfang der
Neunziger in Norwegen fabriziert wurde. Rein stilistisch würde ich "Patina" als im Vergleich zur (von der fast
identischen Besetzung eingespielten) Eismalsott-EP wesentlich roher beschreiben wollen; das Album atmet zumindest
in seinem BM-Anteil den Geist [sic!] des "Snow White"-Demos der Truppe, ohne jedoch ganz zu dessen Primitivität
zurückzukehren. Und wenn ich soeben von einem "BM-Anteil" gesprochen habe, so bedarf das natürlich einer
Beschreibung des "Rests". Dieser besteht vor allem aus "Ambient"-Spielereien und Klangcollagen, die mal
atmosphärisch, mal verstörend daherkommen und in ihrer relativen Statik einen stimmungsvollen Kontrast zum oft
sehr dynamischen Material dieses Werkes setzen. Ansonsten wäre hier noch das Streichertrio am Ende von "Winters
Schwingenschlag" zu nennen. Die großartige Martin-Wiese(Enid)-Komposition vermeidet es gekonnt, in die
Süßlichkeitsfalle zu tappen und erinnert mich entfernt an Samuel Barbers "Adagio for Strings".
Doch in der Hauptsache ist "Patina" - natürlich - Black Metal und zwar richtig guter. Das fängt mit dem packenden
Auftaktriff von "Wanderer bei Fels und Fjord" an und hört vor den letzten Tönen von "Spätsommerabende" nicht
wieder auf. Und dazwischen ist Platz für 50 Minuten allerbester Unterhaltung. Alle Höhepunkte nennen zu wollen,
wäre ein sinnloses Unterfangen - die Liste wäre zum Einschlafen lang. Stellvertretend sei an dieser Stelle
nochmals "Winters Schwingenschlag" mit seinen episch-weitschweifigen Riffs genannt, das stellenweise mit einer
ganz wunderbaren Akustikgitarre unterlegt ist, die den elegischen Charakter des Liedes verstärkt. Oder das
Titelstück, eine vielschichtige Mammutkomposition, die alle musikalischen Facetten der Band in sich vereint.
Oder...
"Wir leben fort - wo sind eure Spuren?" fragt man auf der CD. Mit "Patina" haben
Geïst eine erste überzeugende
Antwort auf diese Frage gegeben. |
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:: English version ::
There are two kinds of new bands. First the pubescent cheeky brats which necessarily need to release their
first clumsy attempts of making music. In fact there are surprisingly some of those bands which evolve to
qualitativ good bands. It is less embarassing if a band works underhand to advance until they strike. I'm
thinking of e.g. Helrunar in the recent years: As a band emerging but as musicians really grown up.
Geïst are the new member in this club where zest of action and freshness are connected with great musical
abilities. Their first release was given the name "Patina" and proofs that it's worth being patient. The
link between Geïst and the before mentioned Helrunar is, besides all differences, the same approach: You
don't have to hide your influences but rather stay true to them. Just because there is more individualism,
character and ideas than needed to create something new - without denying your roots.
In case of Geïst the roots are in the cold north - more exact within BM of the "second wave" as produced
in Norway at the beginning of the '90s. In comparison to former Eismalsott (almost same lineup),
Geïst sounds
fundamentaly rawer. Concerning the BM parts the record sounds very close to the "Snow White" demo without
reflecting its primitiveness. And if I already mentioned the BM parts the remain certainly needs further
explanation. It mainly consists of "ambient gimmicks" and "tune-collages" which are sometimes atmospheric
sometimes unsettled and by their static behaviour they are creating an impressive contrast to the very
dynamic material of this Opus. Besides I also have to mention the string-trio at the end of "Winters
Schwingenschlag". The awesome Martin-Wiese(Enid)-composition skilfully avoids to lose itself in sweetness
and reminds me a little bit of Samuel Barber's "Adagio for Strings".
Basically "Patina" still is Black Metal, in fact good one too. It starts with the prelude riff of "Wanderer
bei Fels und Fjord" and doesn't stop before the last tones of "Spätsommerabende". In between there's lots of
space (50 minutes) of entertainment at its very best. It would be a senseless try to mention all highlights
- the list would be so long you would soon fall asleep. As a representative I once again have to mention
"Winters Schwingenschlag" with its epic riffs underlined by wonderful acoustic guitars every here and then.
Or the title track - an enormous composition combining all musical aspects of this great band. Or...
"We go on living - where are your traces?" they ask. Geïst created a convincing answer to this question.
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