GAAHLSKAGG

Erotic Funeral (CD 2000)


Während Norwegens alten Hasen so langsam aber sicher die Luft ausgeht und in Anlehnung an Back Metal von dieser zuweilen nur noch heiße aus deren musikalischen Ergüssen herauspufft, scheint sich eine neue Generation anzutun, die nordische Fahne des Schwarzmetalls wieder stolz in den Wind zu halten. Erwähnenswert wären da beispielsweise Grenjar, Tsjuder oder Koldbrann. Doch auch Gaahlskagg darf diese Ehre zuteil werden. Dabei ist es gerade diese Band, die nicht vollends auf Althergebrachtes zählt, sondern durchaus originell zu Werke schreitet, wie es auf dem 2000er Album "Erotic Funeral" vernommen werden kann. Mit einem Gemisch aus urtypischem Black Metal und Industrial-Sound marschieren die Elchländer voran und wissen durchaus zu überzeugen. Dabei wird das maschinelle Feeling viel mehr durch Zwischenstücke aus der Dose und verzerrte Vocals erzeugt, als durch in diese Richtung ausgelegte Klangkulissen in den eigentlichen Tracks. Vorteilhaft hierbei ist, dass die Industrie immer noch nur ein Beigeschmack bleibt und sonst lupenreiner Black Metal geboten wird, der zuweilen sogar zum besessenen Mitgröhlbangen anregen kann; Anspieltipps diesbezüglich seien der (richtige) Opener "Skullfuck" oder das mächtig wirkende "I Am Sin". Diese mitreißenden Eigenschaften werden auch durch den Gebrauch von kleinen aber feinen Thrash-Anleihen erzeugt, die die Vielschichtigkeit von "Erotic Funeral" wiederum vergrößern. Überraschenderweise erinnert diese Langrille zu Beginn in manchen kurzen Momenten an Sortsind's Folterinstrument "Sår", was dem gelungenen Gitarrensound und den extremen (weil verzerrten) Vocals zu verdanken ist. Im Ganzen betrachtet, weiß dieses Werk eine durchaus bedrückende Atmosphäre zu erzeugen, die sich nicht selten mit eingängigen Riffgewittern abwechselt und den Hörer somit ziemlich frech von einer Gefühlslage in die nächste schmeißt. 
Womit wir beim Nachteil wären: Aufgrund des nicht alltäglichen bzw. nicht gerade simplen Songwritings, wirkt diese Scheibe zu unausgegoren und wie in den Mixer geworfen. Baut sich ein gewisses finsteres, endzeitähnliches Feeling auf, wird es durch aggressive Schwarzstahl-Attacken wieder zerstört. Ist man einmal im Sog der metallischen Wut gefangen, folgt kurzerhand ein zuweilen unpassendes Sample, welches das Fabrikgefühl wieder zurückruft und die schwarze Geradlinigkeit vernichtet. Ich bin sogar fast der Meinung, dass "Erotic Funeral" ohne Industrial-Einflüsse ein wahrer Knochenbrecher norwegischer Kompositions- kunst geworden wäre. Doch so, wie Gaahlskagg's Debutalbum jetzt vor mir liegt und in meinen Ohren herumschwirrt, ist es einerseits begeisternd, da mit viel Energie hervorragender, traditionsbewusster, jedoch auch abwechslungsreicher Black Metal fabriziert wird und andererseits enttäuschend, weil dieser durch mehr oder minder deplatzierte Samples und Soundkulissen häufig die Führung abtreten muss. 
Doch trotz alledem ist dieses Scheibchen, welches einen guten, dreckigen Sound besitzt, mehr als nur Durchschnitt, geschweige denn Müll. Es besitzt jede Menge originellen Reiz und die erwähnten schwarzmetallischen Passagen wissen mehr als nur zu gefallen. Von daher soll letztendlich jeder selbst entscheiden, ob die industriellen Zusätze ihre Daseinsberechtigung auf "Erotic Funeral" besitzen oder nicht und ich gebe diesem gelungenen Nordwerk seine verdienten 7einhalb Zähler.

7,5/10

 

 

sic
03.09.2003