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Nicht nur Zeiten ändern sich. Auch Musik morpht manchmal klammheimlich daher, was dem weithorizontierten
Hörer kein Negativum sein muss. So hielt sich "Springtime Depression", letztjähriges Werk der italienischen
Grummelbarden von Forgotten Tomb, doch recht geradlinig an das kompositorische Konzept des herrlichen
Vorgängers "Songs To Leave".
Überraschend dürften somit erste Laute des neuesten Outputs dieser Könner, "Love's Burial Ground", sein.
Denn nach kurzem, unwesentlich stimmigem Intro wird nicht, wie gewohnt halb-doomig und schwermütig
vorgegangen, als viel mehr wütend und tödlich losgeprescht. Allgegenwärtige Abwechslung ist die Hauptneuerung
im Schaffen Forgotten Tombs. (Wer mir übrigens verraten kann, woran mich das Anfangsriff vom Opener so sehr
erinnert, kriegt 'n Bonbon.) In geradezu zwiespältigem Wankelmut präsentieren sich die Südeuropäer anno 2004. Professioneller ist man geworden, was sich nicht nur in technischer Finesse, als auch im Songwriting
widerspiegelt. Die gewohnte Eingängigkeit wurde quasi vom hypnotisierenden Wiederholschema auf den
hin und her reißenden Wechsel zwischen Depression und Aggression umgewichtet. Herr Morbid lässt nicht nur
einmal die Blastbeat-Keule kreisen, was überraschenderweise und auf gewohnter Melodik basierend, die eine
oder andere Schwedengröße aufblitzen lässt, sei's nun Dark Funeral oder sogar Marduk; doch das nur am Rande.
Die Haudrauf-Passagen halten sich (glücklicherweise) in Grenzen und dem bekannten und mehr als geschätzten
Melancho-Anteil, nebst ein paar wenigen Versatz-Einschüben, wird fast genug Entfaltungsraum geboten. Denn
auch wenn die obligatorische FT-Atmosphäre durchaus nicht verloren ging, schafft sie es dennoch enttäuschend
selten auf ein Level wie zu "Songs To Leave"-Zeiten. Und wiederum muss man dem Bandkopf danken, dass er
Katatonia so stark hat seinen Geschmack und Stil beeinflussen lassen. Denn beispielsweise ausleitende Melodik
bei "Alone" hätte ebenso gut auf einem Album der Schweden in den letzten 8 Jahren sein können. Dementsprechend
dicht und überzeugend strickt sich in solchen Momenten die bedrückende Aura um den Hörer, welcher beinahe
zitternd vor Begeisterung auf die Repeat-Taste hämmert.
Aber, denn es musste kommen, der Haken an diesem Album ist, dass sich durch die konzeptionelle Orientierung
an Variation und Vielfalt auch ein schweres Wirkungsdefizit einschleicht. Entweder man ist hochmotiviert
grantig oder ungemein betrübt, doch dazwischen gibt's die Ebene der Unschlüssigkeit; der Ground Zero
sozusagen. Düster ist man, ohne Einwände, aber das langt nicht. Alles ist auch sonst so wie es bislang
geliebt wurde: Die Gitarren haben den selben, berührenden Klang und sind logischerweise Quelle aller
instrumental-melodischen Eruptionen, das Drumming ist pikant-definierend, was Kraft, Groove oder Schädeltrauma
betrifft und beim Gesang blieb man sich, bis auf einige wenige experimentelle "Brüll"-Passagen auch treu.
Die Produktion ist mir persönlich ein seichter Dorn im Auge. Viel zu sauber und undefiniert wurde "Love's
Burial Ground" abgemischt. Nicht übermäßig, aber doch überraschend deutlich. Der raue und undergroundige
Unterton der vorhergehenden Scheiben trug ungleich viel zur beabsichtigten Atmosphäre bei, während hier schon
manchmal zu deutlich ein "Diabolis Interium" durchschimmert.
Nichtsdestotrotz, FT's Drittes ist ein zweifelsohne gutes Album. Enttäuschung macht sich meinerseits womöglich
nur breit, weil ich nach den zwei zurückliegenden Werken mit einem 10 Punkte-Ich-will-sterben-Schlachtfest
gerechnet habe. Schade, aber ich werd's überleben. Forgotten Tomb auch, wenn sie mit ihrem neuesten Eisen
nicht sogar in kommerzielle Bekanntheitsgrade vorstoßen können, denn eingängig, mitreißend, könnerisch und
gut produziert genug ist "Love's Burial Ground" allemal. Man wird sehen. Knappe: |
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