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Eigentlich halte ich so etwa... hm... gar nichts von aus mehreren Aufnahmesessions zusammengestückelten
Veröffentlichungen, die eigentlich niemals welche sein sollten. Erst recht nicht, wenn die Soundqualität dürftig
ist - weil MP3s entnommen - und das Material kaum Democharakter hat. Im Falle der Norweger Draugsang verhält sich
das etwas anders: hier ist gerade der raue, verstimmte, knarzende Charme einer behelfsmäßigen Heimaufnahme das,
was den eigenartigen Reiz der Produktion ausmacht. Der Drumcomputer stammt sicher von einem norwegischen
Karstadt-Pendant, die Gitarren sind bis zum Exzess verwaschen und verhallt, und gerade den Keyboards und Gesängen
hört man die verzerrende MP3-Qualität an - abgesehen davon, dass gerade der Gesang ohnehin viel Lower Pitch und
ein wenig Distortion abbekommen hat. So haben Demos Mitte, Ende der 90er geklungen, und mal ehrlich - vermisst ihr
das nicht manchmal auch? Ich schon, und nicht nur diese Klangqualität, auch das dazugehörige Material ist selten
geworden. Auf irgendwelchen verschlungenen Wegen sind nun zwei Draugsang-Stücke von 1998 (!) und eines von 2004,
alle getrennt voneinander aufgenommen, zu Northern Silence geraten (ihr erinnert euch - Mörker und der Dienst für
eine alte Sache!) und auf dieser Mini-CD gelandet. Rote Fäden darf man da kaum erwarten, und wie erwartet
gestalten sich die drei Lieder von durchschnittlich etwa 6 Minuten auch jeweils vollkommen unterschiedlich: der
Titelsong hymnenartig und sehr gleichförmig, schleppend bis dezent treibend, zu Anfang getragen akustische
Gitarre, am Ende von elegischen Chören, einer Flötenmelodie und einer wunderbaren Leadgitarre in das Fade-Out
geführt. "Alt Håp E Tapt" noch akustischer (die E-Gitarren sind de facto kaum noch zu hören), noch ein wenig
langsamer, noch schönere Leadgitarre, aber auch noch ein gutes Stück monotoner. Das neueste Stück, "Svartskjaer",
stellt den ohnehin verwirrten Hörer zum Ende noch einmal auf eine harte Probe: Hubschrauber-Samples, seltsame
Synthesizer, quietschende Solo- und Wah-Wah-Akustikgitarren auf der einen, dafür etwas flotteres Schlagzeug, mehr
Gitarrenwucht und Gesang mit mehr Reibung auf der anderen Seite.
Was man davon halten soll? Davon lässt sich kaum wirklich etwas halten, wenn man sich nicht selbst ein Bild
verschafft. Wer sich dem Draugsang aussetzt, sollte sich der verführenden Kraft süßlicher urnorwegischer Harmonien
und Melodien bewusst und auch bereit sein, sich von ihm in unbekannte, tiefe aber verheißungsvolle Gewässer locken
zu lassen. Wie Mörker klingen auch Draugsang ungezwungen uralt, scheinen von den Entwicklungen der Studiotechnik
der letzten Jahre, vor allem aber von der musikalischen Dekadenz norwegischen Black Metals wenig mitbekommen zu
haben und würden sich sicherlich auch den Deibel darum scheren, selbst wenn sie darum wüssten. Wenn man das weiß,
stört auch der eigenartige Klang nicht mehr. In 10 Jahren ist mir eigentlich nur eine Band untergekommen, die
vergleichbar krank (die Vocals... diese tiefergestimmten Vocals...), aber auch ähnlich zielstrebig auf sehr
eigenen Pfaden gewandelt ist, die es mittlerweile aber nicht mehr gibt: das sind Wallachia, an deren Demo von 95
oder 96 "Seil På Skyggans Hav" zwingend erinnert, vorausgesetzt natürlich, man kennt es, was freilich auf die
wenigsten zutreffen wird.
Lange Rede, kurzer Sinn: auch Draugsang spielen einfach nur sehr schlichte, wunderschöne Musik im unverkennbar
norwegischen Geiste, die ich nicht einmal wirklich als Black Metal bezeichnen würde (In The Woods... waren auch
niemals eine Black-Metal-Band, übrigens). Gerade deshalb haben sich Draugsang eine Chance verdient. Warten wir mal
ab, was sie auf ihrem Album zu bieten haben werden. |
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