DORNENREICH

Nicht um zu Sterben (1997)


"Die Quelle meiner Existenz ist das Tor zu deinen Träumen. Träume bedeuten Unsterblichkeit..." Ebenso unsterblich ist das Debut Dornenreich's für viele Schwarzmetaller. Zurecht, denn mit "Nicht um zu sterben" lieferten die Ösis ihr bis heute wohl bestes Langeisen ab - jedenfalls, wenn man der Entwicklung der Band ohne Offenheit entgegentritt. Demzufolge besitzt das Erstwerk mit der letzten Ausgeburt "Her von welken Nächten" musikalisch kaum noch Gemeinsamkeiten. Somit steht "Nicht um zu sterben" wohl für immer als einziges reinrassiges Black Metal-Album in der Schaffensphase Dornenreichs. Das alles wäre halb so schmerzlich, wäre dieser Erstling nicht eine der besten Black Metal-Eisen der letzten 10 Jahre. Schon das Demo "Mein Flügelschlag" ließ schwarze Herzen in wahnsinnige Höhen schlagen. Explodierten dieselben beinahe, als man bemerkte, dass sich auf dem Debut eine weitere Steigerung - ja nahezu Perfektionierung des vor Originalität und Können strotzenden Black Metals Dornenreichs verzeichnen ließ. Dieses Album bietet eine wahnwitzige Palette an durchlebbaren Emotionen, sodass man im ersten Moment zu Tränen gerührt, im zweiten vor Hass zerspringend und im dritten vor purer Freude über solch wunderschöne Musik lächelnd, seine Aufmerksamkeit voll und ganz "Nicht um zu sterben" widmet. Die erwähnten, entfachten Gefühle rühren nicht nur vom rein musikalischen Schaffen, sondern ebenso intensiv von der lyrischen Seite her. Poetische Wunderwerke sind nämlich seit der Existenz eines der Hauptmerkmale Dornenreich's. Man ist förmlich gefangen von der gestalterischen Tiefe der Texte und der große Interpretationsspielraum erlaubt den Worten, jeden Leser persönlich anzusprechen. Genial! 
Klanglich ist dieser Meilenstein nicht weniger außergewöhnlich, kann man doch das Zusammenspiel von Lyrik und Musik als perfekte Symbiose bezeichnen. Das, was die Texte übermitteln, drückt die Musik in Klang und Ton auf rührende, dramatische Weise aus. Es wird geprügelt und geschrammelt, geschleppt und geruht, beschworen und geschrien, wie es selten vernommen wurde. Diese Scheibe ist vollgepackt mit kreischenden, melodiösen Riffs, polternden Drums und charismatischen, ausdrucksstarken Vocals. Mit dezentem Keyboardeinsatz steigert sich die bombastische Theatralik in so noch nie erfasste Höhen. Dieses Album wirkt hier wie eine Flucht, dort wie ein Angriff. Melancholische Leidensklänge wechseln mit aggressiven Prügelattacken, ohne auch nur einen Moment gekünstelt oder aufgezwungen zu klingen. Man spürt förmlich, dass Text und Musik aus dem tiefsten Herzen kommen und mit ganzem Herzen geformt wurden. Es gleicht einer Hetzjagd durch tausend Träume, diesem Meisterwerk zu lauschen. Dabei bieten Dornenreich rein instrumental wenig Neues. Doch ist alles so perfekt arrangiert und an seine passenden Stelle gerückt, dass der ganz persönliche Dornenreich-Touch, in Form von angesprochener Dramatik, unum- gänglich zu vernehmen ist. Somit wirkt "Nicht um zu sterben" neu, originell, ja beinahe jungfräulich. Vergleiche kann man deshalb auch kaum anbringen - es sei jedoch erwähnt, dass man sich möglicherweise an alten Emperor und vor allem an den Landsleuten von Abigor orientiert hat. Ähnlich rauh und kalt ist die Musik von Dornenreich. 
Der Sound ist gut - mehr allerdings auch nicht, sind die Klampfen doch einen Millimeter zu vordergründig produziert und auch die Drums sind technisch kein Paradebeispiel, überrumpelt man sich doch hier und da selbst - das soll uns aber nicht sonderlich stören, immerhin sind die negativen Auffälligkeiten verschwindend gering und durch die unglaubliche, musikalische Dichte schnell wieder wett- gemacht. Ein wahres Meisterwerk, wie man es lang nicht mehr gehört hat.

9/10

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sic
09.05.2003