DORNENREICH

Bitter ist's dem Tod zu dienen (1999)


Eine wahre Flut an Emotionen und Bewunderung bricht immer wieder aufs Neue über mich herein, wenn ich diese CD einlege, an Intensität kaum zu überbieten. Aufgrund der, auch von mir, umstrittenen Texte und der schrittweisen Abwendung vom Black Metal geht heutzutage eher ein Raunen durch die Runde, wenn man auf Dornenreich zu sprechen kommt, zumindest was die letzten beiden Alben betrifft.
Eingebettet in ein zutiefst romantisches Konzept, zu erkennen an der Motivik der Dunkelheit, Einsamkeit und den träumerischen Texten und Songs, bringen es die 6 Stücke auf eine Gesamtlänge von fast einer Stunde. "Nächtlich liebend" beginnt mit einer Keyboard- und Knüppelorgie, geht dann in Mid-Tempo über bis es schließlich zur Mitte hin ganz ruhig wird - Flüstern, Klavier, Akustikgitarren. Normalerweise bin ich ständiger Keyboarduntermalung eher abgeneigt, hier aber sind die Melodien so gekonnt und komplex arrangiert, dass es nicht anbiedernd wirkt. Der heimliche "Hit" der Scheibe ist "Reime faucht der Märchensang", der wiederum von wunderschönen Keyboards geprägt ist und in der Mitte mit einem Riff kurz an das furiose Debüt erinnert. Eine wahrhaft große Hymne. Den kompletten Wahnwitz stellt für mich "Lebend lechzend' Herzgeflüster" dar. Eine derartige Dreistigkeit, so konträre Elemente wie Akustikgitarren und wildes Geknüppel zu vereinen, habe ich bis dato noch nicht erlebt. Auch hier erklingen etwa in der Mitte schneidende Gitarrenleads, die auch auf dem Erstlingswerk stehen könnten. 
Allgemein hat sich die Schlagzeugarbeit im technischen Bereich enorm verbessert und glänzt mit perfekten Arrangements. Trotz der bereits erwähnten ausnahmslos fantastischen Keyboards finde ich es doch recht bedauerlich, dass die verzerrte Gitarre dermaßen in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Produktion ist deutlich sauberer und transparenter geworden, was ich in diesem Fall aber weder als Plus- noch als Minuspunkt ansehe. Der Hass, den "Nicht um zu sterben" noch teilweise ausgemacht hat, ist hier nahezu vollständig verbannt worden, was vordergründig durch die durchgehende Verwendung des Keyboards und die Verlagerung des Gesangs von Geschrei zu klarem Gesang, Flüstern, gemäßigtem Krächzen und nur noch vereinzelten stimmlichen Ausbrüchen erreicht wird. Die Texte sind hier glücklicherweise noch nicht in pseudo-intellektuelle Sphären abgedriftet, wie im Nachfolgewerk leider geschehen. Allerdings ist ein gewisser Kitsch, besonders bei "Reime faucht der Märchensang", nicht von der Hand zu weisen. Respekt zolle ich allerdings für den Mut, überhaupt das Thema Liebe in zumindest BM-beeinflusster Musik aufzugreifen. Erwähnenswert ist auch das liebevoll aufgemachte Booklet, deren größter Pluspunkt die gemalten Bilder sind. Relativ lächerlich dagegen sehen die Corpsepaint-Fotos aus, die zu allem Übel auch nicht im Geringsten zur Musik passen.
Trotz einiger Kritik bleibt festzustellen, dass nur wenige Alben es mit dieser Atmosphäre aufnehmen können, wenngleich der Black Metal-Anteil von 95% vom Debüt auf etwa 10% gesunken ist und deshalb der Vergleich eher schwer fällt. Für mich stellt diese Veröffentlichung knapp vor "Nicht um zu sterben" die Sternstunde 
Dornenreichs dar und wird wohl auch, in Anbetracht der musikalischen Entwicklung, nicht mehr überboten werden.

9/10

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SpätesHolz
25.05.2004