DIMMU BORGIR

For All Tid (1994)


Endlich ist es soweit... "Jedem das Seine", so sagt man. Gerade in Anbetracht des persönlichen Geschmacks und der individuellen Auswirkung besitzt jedermann, der sich mit Black Metal intensiviert auseinandersetzt, seine völlig eigenen Vorlieben, die ihm niemand abstreiten kann. Doch musikalische Toleranz hin oder her, ich möchte endlich das reviewen, was mich so stark und prägend beeinflusst hat, wie kaum etwas anderes. Erwähntermaßen wäre das natürlich "For All Tid", welches neben dem Nachfolger "Stormblåst" seit jeher ungebrochenen Spitzenstatus einnimmt. Um so schlimmer und bedauerlicher ist es, als Bewunderer dieses Werkes mit ansehen zu müssen, wie sich einstige Helden immer bewusster in die Kommerzialität fallen lassen, aber wühlen wir solcherlei Belanglosigkeit nicht zum hundertsten Male auf... 
Eingeleitet durch das, was dieses Album letztendlich ausmacht, ergo einzigartige Melodieführung, wirken anbahnende Klänge wie ein Gemach, das für den Hörer bereitet wurde - versehen mit Stacheln und Dornen, gezeichnet von melancholischem Stolz und träumerischer Giftigkeit. Mit brüllender Aggressivität darf hier niemand rechnen, "For All Tid" ist Zorn und Ruhe in einem Stück - soetwas wie die harmonische Ausdrucksform von Hass, was der Direktheit dieses Gefühls eigentlich widersprechen müsste. Black Metal ist eben nicht nur spürbare Wut und ausgerichtete Cholerik. Denn aggressionsfrei ist dieses Debut zweifelsohne nicht. Allein, dass es schnellere Passagen gibt, welche die vorherrschende, sicherlich vor allem gediegene Atmosphäre, die sich so mancher sicher erst interpretierbar machen muss, ehe sich ihre Genialität entfalten kann, passend durchkreuzen, Brutalität drückt sich in Wirkung des Ganzen aus, was den Hass und die Verzweiflung auf Basis von Besinnung und Introvertiertheit entstehen lässt. Man findet wirklich alles, was irgendwo in Verbindung mit Dingen wie Nachdenklichkeit oder schlichter Melancholie den Geist befleckt, seien es die Riffs, das sicherlich markierende Keyboard-Spiel oder die ursprünglich dargebotenen Krächz-Gesänge. 
Aber würde die sauberste Instrumentierung ohne das sitzende Kompositions-vermögen immer noch Genialität versprühen? Und an dieser Stelle rumpelt es gewaltig, weil Dimmu Borgir in dieszeitiger Besetzung einfach unangefochten geil Musik schreiben konnten. Die hörbare Expression reicht auf "For All Tid" von reinster Depression über verträumt-unendliches Weltall-Feeling bis hin zu innerlich wütender Angriffslust, die sich in Sägereien letztendlich auslebt. Instrumental wird dementsprechend jedwede Option ausgeschöpft, angestrebte Emotionalität zu erreichen, sei es durch Piano-Parts, Streicher oder eben erwähnten, galaxialen Klängen. Erschaffen hat man jedes mal auf's Neue ein für sich stehendes, individuelles Stück Musik, welches zwar jeweils eine ganz persönliche Ausdrucksform besitzt, die Album-interne, grundgelegte Atmosphäre glücklicherweise jedoch nicht zu brechen vermag. 
Doch was wäre dieses Monument ohne seine Feinheiten? Ich habe in vorhergehenden Reviews (zum Beispiel "Born Of The Flickering" oder "Seen Through The Veils Of Darkness (The Second Spell)") nicht nur deren eigene Stärke besprochen, sondern bin besonders auf Klang und Spielweise der Instrumente eingegangen. Hier liegt der Ursprung... "For All Tid" ist produktionsspezifisch das Fundament, auf welches nicht nur Dimmu Borgir bei "Stormblåst" aufbauten und welches fast einen BM-internen Trend verursacht hätte, sondern ein perfektes Gefüge, wie es heutzutage utopisch ist. Diese ganz besondere Kunst, Instrumenten jene fast sanften Schläge beizufügen, wird ein Privileg der frühen 90er sein und bleiben. Faszination ja oder nein, für dieses spezielle Genre des schwarzen Metalls ist dieses Album nunmal grundsteinlegend und im Interesse derer, welche nach der einzigen wahren Emotion norwegisch-metallischer Manifestation forschen, sowieso essentiell.
Ich weiß, dass es mittlerweile merklich wenige Personen gibt, die sich heuer mit dieser Scheibe, ob nun bewusst oder nicht, noch identifizieren können, aber eins ist dem Romantic Black Metal-Gebiet gewiss... Und hier sei's die Tatsache, dass Dimmu Borgir's "For All Tid" nicht einfach und somit schlicht genial ist, sondern wegweisend für ein Genre war, das von kürzester Blüte, über nervend-unlogische Fast-Kopie, bis hin zu grauenhaftem, ja peinlichem Ausverkauf, verursacht durch völlig falsche Interpretation, jenes Lebensgefühl "Black Metal", das auch in melancholisch-romantischen Gefühlsebenen Fuß fassen konnte und kann, zu 'vergesellschaftlichen' wusste.

10/10

Official Website

 

sic
11.07.2004


Redaktionsbewertung:
azaghal 10 Vandrar 10
Laeknishendr 9 Amicus 10
Erik 7 odium 10
sic 10 Wolfsgrimm 8
IT 10 Herr B. 8,5
Argathon 10
Gesamtdurchschnitt: 9,3