BETHLEHEM

Dictius Te Necare (1996)


Bethlehem - allein dass man diese Band nach dem Namen dieses unzweifelhaft zweifelhaften Pilgerortes benannte, lies den einen oder anderen verwirrt den Kopf schütteln, schmückten doch auch hier Pentagramm und Kreuz auf unmissverständliche Weise das Logo. Mit dem ersten vollständigen Album erschuf man sogleich auch ein eigenes Genre, welches an sich schon für Interesse sorgte. Lauschte man jedoch den Klängen jenes Debüts "Dark Metal" musste man, meines Erachtens, doch zugeben, dass diese Bezeichnung mitnichten falsch gewählt wurde. Düster und apokalyptisch anmutend doomte oder preschte die Musik aus den Lautsprechern und weiß bis heute noch zu fesseln. 
Seine wahre Perfektion fand der Dark Metal jedoch in einem anderen Werk dieser deutschen Zwiegestalten. Die Rede ist von "Dictius Te Necare". Schon der Titel dieses Langeisens war bzw. ist genial: "Du sollst Dich töten". Man könnte keine bessere Abwandlung vom angeblich wichtigsten der 10 Gebote kreieren. Doch spielt ohnehin die Lyrik eine gewichtige Rolle bei Bethlehem-Scheiben. Textstellen wie "...Ich fand dich zuweilen heraus, um ja mehrmals von mir gesehen zu werden. Unterhalb, es ist unterhalb, das verschmutzte Abteil benötigt meine Zeit. Und ich erbrach meine Schimäre, als sich das kranke Fleisch von mir abwandte." ("Tagebuch einer Totgeburt") stellen ein solch undurchsichtiges Wirrwarr dar, dass ich schon gewillt bin, ihnen den Genialitäts-Stempel aufzudrücken. Egal ob oder was man hineininterpretiert, allein der Ausdruck jagt einen Schauer hinter den nächsten hinterher. In erhabener Symbiose mit diesen Gedanken steht nun auch die Musik. So etwas war bis dato einmalig. Morbidität, Ekel, Depression, Hass, Abstraktheit, Melancholie, Dunkel, Angst und Verzweiflung stehen sich in 7 Stücken tiefster Rührung so nah wie nie. Das Gesamtgefühl, welches sich auf "Dictius Te Necare" offenbart, ist verflochten mit bedrückendster Einengung und krankestem Endzeitgefühl - so sehr, dass der Sprung zum schwarzen Humor nur ein kurzer sein könnte. Es gibt ganz bestimmt einige verschiedene Betrachtungsweisen dieser Kunst. 
Doch muss man einem Menschen einen erheblichen Anteil an dieser Stärke anrechnen: Landfermann. Der damalige Sänger Bethlehem's besitzt ein schier unfassbares Talent, sowohl seine Stimme beliebig zu variieren, als auch die Texte intensiv emotional zu vertonen. Grunzen, Gurgeln, Schreien, Kreischen, Wispern - alles in erstaunlichem Tiefgang dargebracht. Die Musik auf instrumentaler Seite bietet das "übliche" Bethlehem-Spektrum: mal schnell und aggressiv, dann wieder ruhig und doomig säuselt oder peitscht sie uns entgegen, in einen sauberen Soundmantel gekleidet. 
Was bitte soll ich hier noch großartig beschreiben? Besonders derzeit dürfte "Dictius Te Necare" seinen Zauber immer wieder auf's Neue versprühen dürfen, lassen sich doch Einflüsse bei verschiedenen erst heuer halbwegs bekannten Bands ausmachen, beispielsweise Silencer oder eben Shining selbst. Diese Dark Metal-Sternstunde ist unumgänglich, sie ist einzigartig und so wie sie ist, zumindest für mich unverbesserlich.

10/10

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sic
06.12.2003