GEÏST - Patina
Wanderer bei Fels und Fjord
Wie müde Wanderer im harten Land
Karg und leergebrannt
Erschauernd im Abglanz der Ewigkeit
Schon schwinden Namen und Zeit
Mit klammen Gliedern vorwärts geh'n
Ohne auch nur ein Ziel zu seh'n
Wer sucht noch Sinn in einem Leben
Das hohl und voll von hohlem Streben
Propheten der Vergänglichkeit
Hatte man längst erhängt
Dornen birgt der wache Geist
Weh dem, der sich verfängt
Doch streben wir nicht nach der Gnade
Die das Volk uns gern verspricht
Schwemmten wir unser Blut zu Bade
In dem ihr Geist die Hände wäscht
Wir sind Wanderer bei Fels und Fjord
Träumend und alt
Einsam und kalt
Wenden uns ab und wandern fort
Trotzen den Blicken
In uns'ren Rücken
Klagen euch an: Übermenschenmord
Strebt nur nach Gewinn, Betäubung, Huren
Wir leben fort - wo sind eure Spuren
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Winters Schwingenschlag
Die Kälte des gefror'nen Bodens
Steigt als weißer Dunst in die Nacht
Die Luft ist klirrend, schneidend scharf
Und hat die Bäume mit Raureif gekrönt
Tannen ragen schwärzlich drohend
in tiefes, dunkles Sturmgewölk
am Horizont die Sonne fällt:
die Welt den reif'gen Atem hält.
Nie werde ich den Frühling seh'n
Wie sehne ich den Herbst zurück
Und dennoch, dieser Augenblick
Scheint ewig in mir stillzusteh'n
Kalte Sterne glühen teilnahmslos am Firmament
Mein Schritt knirscht laut im grellen Harsch
Nur weiter - kein Blick zurück
Schwer trenn' ich mich vom Menschenglück
Und doch, die Welt liegt hinter mir
Schweigend um mich trauert nicht
Denn ich war nie ein Teil von ihr
Nie spürte ich den Schmerz so kalt -
Nie schien in mir das Leid so alt
Der Frost hat die Welt im Schlaf übermannt
Und streckt seine Schwingen über das Land
Alles Leben zu ersticken -
Der Schlag des Herzens kaum erkannt
Auf ewig nun vom Licht verbannt
Wie schauerlich das Ende zu erblicken...
So fliehe ich die Menschenheit
Und wand're fort in Einsamkeit
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Norn
Tief in dunkler Halle
Throne ich im Berg
Sichtlos meine Augen
Kalt wie Stein mein Herz
Mein Antlitz nie erblicket
Mein Heer vernichtend stark
So harre ich
So warte ich
Gewisslich kommt mein Tag
Abertausend Krieger
Hören auf mein Wort
Ein Wink der kalten Hand
Reißt Kaiserreiche fort
Meine Augen sind die Raben
Und kriechendes Gewürm
Das Schwert ist stark
Der Speer ist schnell
Von Hexenholz mein Schirm
Ich kenne keine Gnade
Ich kenne kein Verzeih'n
Schon abertausend Jahre
Sah ich die Pest gedeih'n
Bald stürzen nun die Menschen
Und ihr verderblich Tun
Dann lache ich
So ich's noch kann
Und werde endlich ruh'n.
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Patina
Grün war die Welt noch einst
Da Licht dem Schatten überwog
Da Geist noch hoch und reinst
Geschöpfet war aus gold'nem Trog
Im weißen Garten legten nieder
Weise Männer ihrer Häupter Samen
An den Toren; und sie sangen Lieder
Die nur die Winde noch vernahmen
Wie die Jahrtausende verflossen...
Man hoffte, aus dem Samen werde
Wieder Licht. Zuletzt entsprossen
Faule Früchte nur der Erde
Heut' sprießt an Zäunen nur der Rost
Und vor den großen schwarzen Toren
Trinken Männer bitt'ren Most
Den ihre Väter weiland goren
Auf Moos und Steinen schläft der Staub
Die Beete lang verlassen
Kein Geist kehrt mehr das Laub
Aus den hohlen Gassen
Am Bache hatte irgendwer
Die Bäume längst geschlagen
Im Moder, tief im Efeumeer
Erstickt ihr stilles Klagen
Droben in der Finsternis, in
Strahlen zerbrochener Laternen
Prangt die Inschrift aus Platin:
"Hier soll die Menschheit lernen."
Zuletzt schlug ein verhüllter Mann
Ein Bote wohl der letzten Stille
Dort eine zweite (hölzerne) Tafel an:
"Der Menschheit letzter Wille."
Hellwach in meinem Herzen klafft
Die Wunde stumpfer Schwerter
Ein Palimpsest von Urteilskraft
Ein Schatten von in sich gekehrter
Grau-melierter Weltensicht.
Etwas in mir spricht noch
Ein verhallt-verklungenes Gedicht
Und schließt dann leis' die Augen.
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Jingizu
Jingizu! - so viel Leid
Doch wehren meine Worte
Nicht dem Lauf der Zeit
Und nicht dem kalten Eisen
Das mein Volk verzehrt
Keiner wird entkommen
Und Flucht ist uns verwehrt.
Drum opf're ich mich auf
Und greife Dunkelheit
Von Hexenholz und Eisen
Von Spitze bis zum Knauf
So schmiede ich Verderben
Und wenn wir schon vergehen
So sollen keine Menschen
Den Erlkönig beerben.
Jingizu! - so viel Hass
So wollen wir nun sterben
Gesichter, leichenblass
Und Herzen kalt wie Eis
Noch wehre ich der Schmerzen
Doch rast bereits der Fluch
So heiß in meinem Herzen.
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Spätsommerabende
Zerbrach der Spiegel der Illusionen
Das morsche Glas in meinen Händen
Das Blut, das von den Fingern troff
Schrieb Liebesworte an staubigen Wänden
Doch in versiegelte Kammern
Dringt nie eines Menschen Blick
Und zu alten kalten Galgen
Schaut kein Wand'rer gern zurück
Fliehendes Blut hat die Stunden
Des Sterbens kaum verkürzt
Doch berauscht Verrates Kinder
Keiner hat lesend in den Wunden
Erkannt: der einz'ge Sinn der
Throne ist, dass man sie stürzt
Im Schatten der eisigen Ruinen
Sitzt kichernd böse Ironie
Dass gerad' der frommste aller Mönche
Den Reliquienschrein bespie
Nur noch stumme stumpfe Popen
Hausen in den hohen Hallen
Siegeln murmelnd die Kanopen
Und lachen leise wenn sie fallen
Bereitet für die Ewigkeit
Zerborsten nach so kurzer Zeit
Leise knarrend wie von ferne
Siehst du meinen Leichnam schwingen
Lauf, es dämmern schon die Sterne
Und im Wald die Eulen singen